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OK und Politik und die Opfer

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Wie mächtig ist die Organisierte Kriminalität in Serbien? Diese Frage stellt sich schlagartig nach dem Mord an Ministerpräsident Zoran Djindjic. Rechtfertigt doch die Regierung den Ausnahmezustand mit dem Kampf gegen einen Mafiaklan, der für das Attentat auf Djindjic verantwortlich sein soll. Dieser Klan in einem Vorort von Belgrad soll aus einer Mischung von Kriminellen, Sonderpolizisten und Kriegsverbrechern bestehen und 300 Mitglieder ge-habt haben. In der Ära Milosevic kam dieser Klan zu Macht, Einfluß und Reichtum. Im Gegenzug nutze auch Milosevic diese Gruppe, um gemeinsam mit Geheimdienst und Sonder-polizei Gegner beseitigen zu lassen. Einer der großen Drahtzieher des Mafiaklans von Zemun war der Polizeioberst Milorad Lukovic; er ist weiter auf der Flucht. Seine Karriere und die Beziehungen zwischen Organisierter Kriminalität, Staatsapparat und mutmaßlichen Kriegs-verbrechen hat in Belgrad unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz nachgezeichnet.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Belgrad

Kamera: Predrag Crvenkovic

Ton Dragisa Jelic

Schnitt: Mica Vasiljevic

Die 190.000 Einwohner zählende Stadt Zemun ist eine Vorstadt von Belgrad. Zemun, auf deutsch Semlin gehörte bis 1918 zu Österreich. Prinz Eugen begann von hier aus den Sturm auf Belgrad. Die alte Bausubstanz ist vorwiegend in schlechtem Zustand, doch auch viele Häuser aus der Tito-Zeit könnten eine Renovierung vertragen. Im Gegensatz dazu, steht dieses Anwesen in der Schillerstraße.

Das vermeintliche Handelszentrum war der Sitz des Mafiaklans von Zemun, der Zoran Djindjic auf dem Gewissen haben soll. Die Durchsuchung verlief ergebnislos, zeigte aber den Luxus, dem seine Bewohner frönen konnten. Das mehr als 2000 Quadratmeter umfassende Anwesen wurde ohne Genehmigung gebaut. Das gab den Behörden nun den Vorwand, es abzureißen. Finanziert wurden Bau und Reichtum durch den Schmuggel von Drogen, Ent-führungen und andere kriminelle Aktivitäten, wie Auftragsmorden. Zu den Auftraggebern soll auch Slobodan Milosevic gezählt haben.

Nicht in Zemun, sondern in einem Belgrader Nobelviertel lebte der meistgesuchte Mann des Klans. Sein Sicherheitsbedürfnis war offensichtlich groß; wer, wenn nicht er sollte wissen, wie schnell einen der Tod ereilen kann. Dieser Mann, Milorad Lukovic, begann seine Karriere als Krimineller in Belgrad. In Frankreich ging er zur Fremdenlegion, nachdem er zuvor als Rausschmeißer in einem Lokal gearbeitet hatte. Diesem Gastspiel verdankt Lukovic seinen Spitznamen „Legija“ auf deutsch „Legionär“ 1992 kehre er nach Belgrad zurück.

Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien nutzen Kriminelle, um unter dem Deckmantel des Patriotismus Beute zu machen und reich zu werden. Dazu zählte auch Legija. Er kämpfte unter dem Kommando Arkans, des Milizenführers und mutmaßlichen Kriegsverbrechers, in Kroatien und Bosnien. Auch an Arkans Hochzeit mit der berühmtesten serbischen Folk-Sängerin Ceca im Jahre 1995 nahm Legija teil. Er wurde Chef eine Sonderpolizeitruppe, die später im Kosovo im Einsatz war, während Arkan seinen Geschäften nachging. Im Februar 2000 wurde Arkan in einem Hotel in Belgrad erschossen. In ihrer Belgrader Villa, lebte seit damals Witwe Ceca eher zurückgezogen. Sie gab nur eine Europatournee. Vor und nach dem Mord an Zoran Djindjic, soll Ceca ihren Freund Legija, den mutmaßlichen Drahzieher, be-herbergt haben. Finanziell unterstützt haben soll sie auch die Familie von Dejan Milenkovic, genannt Bugsy. Er hatte auf dieser Straße in Neubelgrad versucht, den Wagen von Zoran Djindjic mit einem Kleinlkw zu rammen. In ihrer Villa wurde Ceca daher vor wenigen Tagen von der Polizei verhaftet.

In Südserbien wiederum verhaftete die Polizei ein führendes Mitglied des Klans von Zemun mit Spitznamen „Ratte“. Der Mann soll ein enger Freund von Marko Milosevic, dem Sohn von Slobodan Milosevic gewesen sein. So wurde bei ihm neben Waffen und gestohlenen Autos auch dieser rote Ferrari gefunden. Er soll Marko Milosevic gehört haben, der auf der Flucht ist. Zu besseren Zeiten betrieb Marko in Posarevac, der Heimatstadt seines Vaters einen Vergnügungspark, eine Radiostation und auch die Diskothek Madonna. „Stoppt die Gewalt“ steht auf deren Hauswand geschrieben. Doch gerade in Sachen Gewalt konnten Marko auf seine Freunde und Vater Slobodan auf Radomir Markovic, den Chef des serbi-schen Geheimdienstes zählen. Denn unter Milosevic arbeiten Sicherheitsapparat, Kriminalität und Kriegsverbrecher eng zusammen. Auch der Journalist Slavko Curuvja dürfte Opfer dieser Kombination geworden sein. Er war ein Gegner von Milosevic und wurde 1999 in diesem Hof vor seiner Wohnung erschossen.

Die „Roten Barette“ unter Oberst Milorad Lukovic, genannt Legija, galten damals Milosevics Eiserne Garde. Bei dessen Sturz am fünften Oktober 2000 blieben sie jedoch neutral und er-möglichten einen weitgehend friedlichen unblutigen Machtwechsel. Zoran Djindjic würdigte dieses Verhalten und Milorad Lukovic blieb bis vor knapp zwei Jahren Kommandant seiner Spezialeinheit. Diese Dankbarkeit und der Machtkampf zwischen Djindjic und Vojislav Kostunica führten dazu, daß sich in Armee, Polizei und Justiz viele Anhänger des alten Regimes halten konnten. Sie sind dafür verantwortlich, daß Kriegsverbrecher wie Ratko Mladic noch in Freiheit sind. So verweigerten die Roten Barette den Gehorsam, als sie Kriegsverbrecher verhaften sollten. Auch nach der Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal nahm der Druck des Westens auf Djindjic ständig zu, weitere Kriegsver-brecher zu überstellen. Dazu soll auch Milorad Lukovic gezählt haben. Gleichzeitig drängte Djindjic mit seinem Kampf etwa gegen den Zigarettenschmuggel die Organisierte Krimina-lität in die Defensive. Nach Ansicht der serbischen Regierung haben diese beiden Faktoren zur Ermordung von Zoran Djindjic geführt, doch klare Beweise fehlen noch.

Doch die Polizei führt erst seit Djindjics Tod einen ernsthaften Kampf gegen die Mafia, ob-wohl bereits Wochen vorher viele Hinweise gegen den Klan von Zemun öffentlich bekannt waren. Geliefert hatte sie eine in Surcin bei Belgrad ansässige kriminelle Gruppe. Durch Investitionen in den Straßenbau versuchte dieser Klan von Surcin den Weg in die Legalität. Doch im Kampf mit dem Klan von Zemun drohte eine Niederlage. So wurden Baumaschinen und Anlagen des Surciner Klans Ende Dezember gesprengt und der Pate selbst entging nur knapp einem Attentat. Dessen Verwandter, ein hoher Polizeioffzier, wurde vor einem Hotel in Belgrad erschossen. Der Pate von Surcin, Ljubisa Buha, beschuldigte darauf hin Milorad Lukovic öffentlich, für zwei ungeklärte Morde der Ära Milosevic verantwortlich zu sein. Dazu zählt der Anschlag auf den Oppositionsführer Vuk Draskovic im Herbst 1999. Auf einer Straße stieß ein LkW mit dessen Autokolonnen zusammen. Vier Personen starben, doch Draskovic überlebte. Der Fahrer des LkW gehörte den Roten Baretten von Milorad Lukovic an. Sie sollen auch Iwan Stambolic auf dem Gewissen haben. Stambolic war Milosevics Amtsvorgänger als serbischer Präsident und scharfer Kritiker dessen Politik. Beim Waldlauf in Belgrad verschwand Stambolic vor knapp drei Jahren spurlos. Seine Leiche wurde bis heute nicht gefunden.

Stambolics Sohn Vejlko ist sicher, daß die roten Barette in Milosevics Auftrag seinen Vater ermordet haben. Doch wie so viele Serben fragt auch er, warum erst Zoran Djindjic sterben mußte, damit in Zemun die Polizei mit dem Aufräumen begonnen hat.

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