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Serbien und EU und Österreich

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Die Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic hat auch der Europäischen Union klar vor Augen geführt, wie instabil die Lage in Serbien immer noch ist. Dieser Schock trifft Brüssel zu einem Zeitpunkt, in dem die Irakkrise und die Aufnahme 10 neuer Mitglieder im Vordergrund stehen und sich die EU in anderen Teilen des Balkan auf einen verstärkten Einsatz vorbereitet. So wird demnächst der erste ausschließlich EU geführte Militäreinsatz in Mazedonien eine NATO-Mission ersetzen. Auch in Bosnien bereitet sich die EU auf eine der-artige Mission vor. Doch während Europa im Bosnienkrieg eine durchaus fragwürdige Rolle gespielt hat und lange handlungsunfähig war, hat die EU in Serbien viel rascher reagiert. Mehr als eine Milliarde Euro an Unterstützung ist seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor mehr als zwei Jahren bereits nach Serbien geflossen. Trotzdem wird die Politik der EU von vielen führenden Reformern in Belgrad auch mit gemischten Gefühlen betrachtet. Warum das so ist zeigt der folgende Beitrag, den unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gestaltet hat:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz

Insert1: Mladjan Dinkic, Nationalbankpräsident Serbiens

Insert2:

Insert3: Erhard Busek, EU-Stabilitätspakt

Insert4: EU-Stabilitätspakt

Insert5: Oliver Rögel, Raiffeisenbank Belgrad

Insert6: Oliver Rögel Raiffeisenbank Belgrad

Kamera: Predrag Crvenkovic

Ton: Dragisa Jelic

Schnitt: Mica Vasilejvic

Text:

Trauer, Schock und Ungewißheit hat die Ermordung von Zoran Djindjic bei der Masse der Serben ausgelöst. Zu all den sozialen und wirtschaftlichen Problemen kommt nun die Frage, wie erfolgreich Djindjics Nachfolger sein und welche Folgen das Attentat haben wird:

„Ich bin eine Mutter und habe einen Sohn. Wer weiß, was im Leben sein wird. Ist unsere Sicherheit als einfache Bürger nun in diesem Land noch gewährleistet?“

„Ich bin sehr traurig. Das wirft uns 10 Jahre zurück. Schwierig wird das für ausländische Investitionen. Der Mann hat viel für unser Land getan.“

Solidarität zu zeigen und eine ungebrochene Perspektive zu vermitteln waren die Ziele, die Havier Solana und Chris Patten als hochrangige Vertreter der EU mit ihren Besuchen in Belgrad unmittelbar nach dem Mord verfolgten. Am Begräbnis selbst, nahmen Kommissions-präsident Romano Prodi und Erhard Busek, Koordinator des EU-Stabilitätspaktes für den Balkan teil. Brüssel hat in Belgrad rasch und viel geholfen.

Nach dem Kosovo-Krieg 1999 wurden demokratisch regierte Städte materiell und finanziell mit den Programmen Energie und Asphalt für Demokratie. Nach dem Sturz von Slobodan Milosevic im Herbst 2000 überstand Serbien den Winter dank der raschen Hilfe aus Brüssel. Energieimporte, Ersatzteile für Kraftwerke, Lebensmittel, Medikamente und Hilfe für den veralteten Kohlbergbaus verschlagen Millionen. Allein die EU-Agentur für den Wiederaufbau hat Serbien bereits mit mehr als 560 Millonen Euro unterstützt. Der Wiederaufbau der von der NATO zerstörten Donaubrücke bei Novi Sad ist das größte Einzelprojekt. Die Beseitigung von Kriegsrelikten und Trümmern ist fast abgeschlossen und 2004 soll die Donau wieder frei befahrbar sein. Denn derzeit behindert noch eine Behelfsbrücke die Schiffahrt.

Mit gemischten Gefühlen wird jedoch die politische Rolle der EU betrachtet. So erzwang Brüssel vor einem Jahr den Belgrader Vertrag. Darin verzichtete Montenegro auf die Los-lösung von Serbien, erhielt aber eine weitgehende Autonomie. Die Ausarbeitung der Ver-fassung der neuen Union Serbien und Montenegro dauerte neun Monate. Doch die Union ist schwach und heterogen. Der Euro ist die Währung Montenegros, in Serbien wird mit dem Dinar bezahlt, Rechtssysteme und Reformtempo sind verschieden und noch besteht eine Zollgrenze zwischen den beiden Teilstaaten. Montenegro und Serbien haben mit der Um-wandlung Jugoslawiens, die noch nicht abgeschlossen ist, ein Jahr verloren, das für schnel-lere Reformen genutzt hätte werden können:

„Ich muß gestehen, daß dazu einige Herrn in der EU viel beigetragen haben; vor allem mit der Erzwingung einer Vereinbarung und einer Verfassung, die in der Praxis nicht anwendbar ist sowie mit der Schaffung eines Landes mit zwei Wirtschaftssystemen. Denn ein Staat mit zwei völlig getrennten Systemen, wurde auf der Welt bisher noch nirgends geschaffen. So hat das Bestehen der EU auf einem gemeinsamen Staat um jeden Preis und ungeachtet des Inhaltes dieses Staates zum Bremsen der Reformen geführt. Das ist nicht gut. Wir sind in der absurden Lage, daß wir in gewisser Weise das Opfer der Fehleinschätzung einiger Personen in der EU geworden sind und es gibt keine klare Strategie, was mit dem gemeinsamen Staat zu tun ist. “

Hinzu kommt, daß Brüssel auf der Harmonisierung der Volkswirtschaften der ungleichen Partner beharrt, ehe eine weitere EU-Annäherung möglich ist. Das trifft auch die Textil-indusrtie in Südserbien, einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit und kaum befriedeter albanischer Minderheit. Wegen der niedrigen Quoten, sind für einige Produkte die Jahres-exportenquoten in die EU bereits im Februar ausgeschöpft worden:

„Wir können keine Vereinbarung mit der EU über Präferenzzölle für Textilexporte erhalten, weil wir uns mit Montenegro nicht über die Zölle einigen können und die EU gibt uns keinen Vertrag, solange wir nicht einheitliche Zölle haben. Probleme haben wir auch bei den Ver-handlungen mit der WTO, der Welthandelsorganisation, die uns erst aufnehmen will, wenn wir uns über die Zölle geeinigt haben. Natürlich hat Montenegro daran nicht dasselbe Inter-esse wie Serbien; denn die Entwicklung Montenegros beruht im allgemeinen auf den Dienst-leistungen, auf dem Tourismus und unsere auf der Industrie.“

Der Notenbankpräsident macht kein Hehl daraus, daß er eine klare Scheidung zwischen Ser-bien und Montenegro lieber gesehen hätte als diesen neuen Staat. Auch Erhard Busek, der mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Belgrad Zoran Djindjic das letzte Geleit gab, ist sich bewußt, daß die EU-Politik gegenüber Serbien widersprüchlich ist:

„Die einzig klare Strategie, die zum Glück unbestritten ist, ist, dass Serbien/Montenegro und die Länder der Region Mitglieder der EU werden sollen. Wie wir dort hinkommen, da gibt es unterschiedliche Ansichten und vor allem unterschiedliche Bedingungen und das erzeugt dieses uneinheitliche Bild.“

Seine Schlußfolgerung lautet:

„Wir brauchen eine klare Außenpolitik. Das allerdings hat zur Vorbedingung, dass sich die 15 Mitgliedsstaaten darüber einig sind, welche Linie sie überhaupt gehen. Angesichts der Irakkrise sieht man sehr deutlich die unterschiedlichen Ansichten. Ich glaube, dass wir jetzt an einem kritischen Moment sind: Entweder wird es begriffen, dass dieses Europa und die EU einen gemeinsamen Weg gehen muss, oder wir werden wieder abhängig von anderen wie das ja schon früher der Fall war.“

Auf dieses Begreifen hat die österreichische Wirtschaft auch in Serbien nicht gewartet. Die OMV eröffnete 2002 die größte Zwillingstankstelle am Balkan und bereits mehrere Filialen in ganz Serbien. Mehr als 100 österreichische Firmen sind bereits im Land. Alpine-Mayreder etwa kaufte einen Steinbruch, um für den Straßenbau gerüstet zu sein. Das Salzburger Unter-nehmen wird heuer die Autobahn Belgrad – Novi Sad ausbauen. Der Pionier ist jedoch die Raiffeisenbank. Sie hat 11 Filialen errichtet und ist die größte ausländische Bank in Serbien. Raiffeisen geht davon aus, daß Serbien weiter auf Reformkurs bleiben wird:

„Zum Beispiel das Privatisierungsgesetz ist von der Europabank als das beste Privatisierungsgesetz von Zentral-Osteuropa eingeschätzt worden. Das heißt: Sobald es zu diesen Gesetzen kommt, sind es vorwiegend gute, europafreundliche Gesette. Nur es dauerte in den letzten sechs-neun Monate sehr lange, genau diese Gesetze zu verabschieden.“

Verantwortlich gemacht wird dafür auch der Machtkampf zwischen Zoran Djindjic und Voislav Kostunica, dem ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens. Dieser Konflikt hat die Refor-men ebenso gehemmt wie die langwierige Umwandlung Jugoslawiens. Nach Djindjics Tod hofft man bei Raiffeisen nun auf eine Kompromiß zwischen beiden Reformlagern:

„Was uns in Zukunft wichtiger sein wird, sind geschlossene Parteien, geschlossene Reformfronten, wo wirklich jetzt die zwei größten Parteien die internen Streitigkeiten beiseite lassen und wirklich als gemeinsamer Reformblock hier die Reformen durchsetzen.“

Der neue Ministerpräsident Zoran Zivkovic versprach an Grabe Djindjics, dessen Reformen und den Weg nach Europa fortzusetzen. Ob es unter Zivkovic zu einem Ausgleich mit Kostunica kommt, ist fraglich. Fraglich ist daher auch, ob der Schock den Zoran Djindjics Tod ausgelöst hat, zum Wohle Serbiens genutzt werden wird.

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