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Jugoslawien steht am kommenden Sonntag vor Schicksalswahlen. Direkt vom Volk gewählt werden an diesem Tag der Präsident und die beiden Kammern des Bundesparlaments. In Serbien finden außerdem Lokalwahlen statt. Durch positive Umfragen ermutigt, hofft die Parteienallianz „Demokratische Opposition Serbiens“, daß ihr Spitzekandidat Vojislav Kostunica gegen Amtsinhaber Slobodan Milosevic gewinnen wird. Doch Milosevic kämpft mit allen erlaubten und vor allem auch unerlaubten Mitteln um den Machterhalt. Die Opposition hat unter Polizeiwillkür und medialer Übermacht der Regierung zu leiden und befürchten außerdem einen massiven Wahlbetrug.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz, Belgrad

Aufsager bei: 2‘31 Christian Wehrschütz, Novi Sad

Gesamtlänge: 2’47

Text:

Unter dem Motto „Ein Lächeln für die Demokratie, weil es Zeit ist“, fanden im Wahlkampf in ganz Serbien Rockkonzerte statt. Sie sollten vor allem Jugendliche motivieren, gegen Slobodan Milosevic zu stimmen. Organisiert wurden diese Konzerte von der oppositionelle Wirtschaftsexperten-Gruppe G17 und von anderen Nicht-Regierungs-Organisationen. Die Regierung unter Slobodan Milosevic propagierte statt dessen den Wiederaufbau nach dem Kosovo-Krieg und den Widerstand gegen die NATO. „Das Volk wählt, aber nicht die NATO“, lautet ein TV-Spot, der die Opposition als Handlanger des Westens brandmarkt. Teil dieser Wahlkampagne war auch ein Prozeß in Belgrad gegen 14 führende westliche Politiker, darunter Bill Clinton und Gerhard Schröder. Nach drei Tagen wurden sie wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilt. Denn trotz negativer Umfragewerte ist Slobodan Milosevic von seinem Sieg überzeugt. Bei seiner Abschlußkundgebung in der größten Belgrader Sporthalle beschwor er die eignen Leistungen und bezeichnete die Opposition als wahre Feinde des Volkes. Die Kundgebung endete mit der Internationalen, doch das letzte Gefecht hat Milosevic noch nicht gewonnen, trotz medialer Übermacht und polizeilicher Schikanen gegen die Opposition. Denn Milosevics Popularität sinkt, und die Kundgebungen anderer Regierungspolitiker in den Städten Serbiens konnten keine Massen mobilisieren; trotzdem dürfte zumindest noch ein Drittel der Bürger hinter der Regierung stehen. Gestärkt fühlt sich Milosevic, weil die Opposition gespalten ist. Der Belgrader Bürgermeister Voijislav Michajlovic ist Präsidentschaftskandidat der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ SPO. Doch trotz des Jubels bei der Abschlußkundgebung in Belgrad spielte Michajlovic im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle, denn ihm wird nicht zugetraut, Milosevic zu schlagen.

Zugetraut wird dies diesem Mann: Vojislav Kostunica, Spitzenkandidat der Allianz „Demokratische Opposition Serbiens“. Vom Mann ohne Charisma ist er zum Hoffnungsträger jener Serben geworden, die einen Wandel wollen. Kostunica will das Land nach Europa führen, den Kosovo befrieden und die Föderation mit Montenegro erneuern. Doch selbst bei einem Sieg von Kostunica und im Falle eines friedlichen Machtwechsel steht sein Oppositionsbündnis, im Bild die Abschlußkundgebung in Novi Sad, vor einer enorm schwierigen Aufgabe. Denn im Bundesparlament dürfte die Mehrheit verfehlt werden und in so manchen Städten wegen der Uneinigkeit der Opposition verloren gegen. Darüber kann auch diese Siegeszuversicht nicht hinwegtäuschen.
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