Milosevic auf dem Weg nach Haag

Der Count down für Slobodan Milosevic läuft unerbittlich ab. Auch heute ist Milosevic seiner Auslieferung an das Haager Tribunal wieder einen Schritt näher gerückt. Denn der jugoslawische Justizminister Mocilo Grubac hat dem zuständigen Kreisgericht in Belgrad den Antrag des Haager Kriegsverbrecher-tribunals auf Auslieferung von Milosevic übergeben. Erst vor zwei Tagen hat die Regierung eine Verordnung erlassen, mit der die Zusammenarbeit mit dem Tribunal gereglt und die Auslieferung für zulässig erklärt wird. Die Führung in Belgrad steht unter großen Zeitdruck, denn in weniger als einer Woche soll in Brüssel die Geber-Konferenz für Jugoslawien stattfinden. Belgrad erhofft sich dabei eine Finanzhilfe von etwa 15 Milliarden Schilling.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz Belgrad

Insert: 1’09: Branimir Gugl, Milosevic-Verteidiger

Aufsager: 1’41 Christian Wehrschütz

Gesamtlänge: 1’52

Vor knapp einem Jahr ließ Slobodan Milosevic noch in Belgrad einen Schau-prozeß gegen führende Politiker der NATO wegen des Kosovo-Krieges ver-anstaltet. Mittlerweile war Javier Solana, einst NATO-Generalsekretär und nun EU-Beauftragter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, bereits bei Präsident Vojislav Kostunica auf Besuch; und Kostunicas Vorgänger Slobodan Milosevic sitzt im Zentralgefängnis von Belgrad. Seine Ehefrau Mira Markovic und Chefverteidiger Toma Fila werden Milosevic wohl bald in der Zelle in Den Haag besuchen müssen. Denn Justizminister Momcilo Grubac hat dem zustän-digen Kreisgericht bereits das Auslieferungsbegehren aus Den Haag übergeben, so daß das Verfahren bereits morgen beginnen kann. In der Anklageschrift des Tribunals werden Milosevic im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Zehn Rechtsan-waltskanzleien hat Milosevic bereits engagiert. Seine Anwälte werden im Auslieferungsverfahren ebenfalls gehört werden; doch Illusionen machen sie sich keine, wie die Aussage des Rechtsanwalts Branimir Gugl zeigt:

„Spitzenpolitiker haben bereits gesagt, daß die Auslieferung zwischen 4. und 17. Juli erfolgen wird. Als Verteidiger können wir Verordnung und Verfahren nur als gar nicht notwendig betrachten; wenn schon vor der Entscheidung des Ge-richts Fristen genannt werden, dann ist es offensichtlich das jemand anderer entschieden hat, daß Slobodan Milosevic an Den Haag ausgeliefert wird.“

Milosevics Anwälte haben auch Verfassungsbeschwerde gegen die Verordnung der Regierung eingelegt, die die Auslieferung ermöglicht. Doch auch die Chancen dieses Rechtsmittels sind praktisch gleich Null.