Del Ponte in Belgrad

Karla Del Ponte, die Chefanklägerin des Haager Kriegsverbrechertribunals, ist zum ersten Mal in Serbien. Del Ponte traf in Belgrad heute mit dem jugoslawi-schen Präsidenten Vojislav Kostunica zusammen. Sie hat Kostunica eine gehei-me Anklageschrift gegen einen mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher übergeben. Nach dem Gespräch verließ Del Ponte sofort den Präsidentenpalast, ohne eine Erklärung abzugeben. Kostunica hatte sich zunächst geweigert, die Chefanklägerin zu treffen, schließlich aber einem Gespräch doch zugestimmt. Die Existenz geheimer Anklageschriften hat Kostunica wörtlich als Schande bezeichnet, eine Auslieferung von Slobodan Milosevic lehnt er ebenso ab wie die überwiegende Mehrheit der Serben.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz Belgrad

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Der Besuch von Karla Del Ponte in Belgrad zählt zu den heikelsten Missionen der Chefanklägerin. Denn Vojislav Kostunica wirft dem Gerichtshof vor, nicht unparteisch, sondern antiserbisch zu sein; doch er weiß, daß Jugoslawien als UNO-Mitglied mit dem Tribunal zusammenarbeiten muß. Karla Del Ponte beharrt auf der Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher; dazu zählt vor allem Slobodan Milosevic. Doch Milosevic soll sich vor einem serbischen Gericht verantworten müssen, wenn es nach der Führung in Belgrad geht. Eine Beteiligung des Haager Tribunals gilt aber als möglich. Seit dem Sturm auf das Parlament sind erst vier Monate vergangen und die Serben haben andere Sorgen als Vergangenheitsbewältigung. Weit präsenter sind zudem eigene Opfer, wie etwa vermißte Kosovo-Serben, deren Angehörige heute wieder demonstriert haben. Die eigenen Opfer betont auch Kostunica, der auf langsamen Wandel setzt und in den Streitkräften die alte Garde bisher nicht ausgetauscht hat. Den Kosovo-Krieg hat Kostunica erst jüngst wörtlich als Verbrechen bezeichnet.