× Logo Mobil

Milosevic

Fernsehen
Report International
Berichte Serbien
Seit vier Tagen sitzt der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic nun in einer Zelle im Zentralgefängnis in Belgrad. Verhaftet wurde er zunächst wegen Amtsmißbrauch und Korruption. Mehr als 1,5 Milliarden Schilling sollen Milosevic und Co. Veruntreut haben Nach umfangreichen Waffenfunden in dessen Villa soll die Anklage nun auch auf bewaffne-ten Widerstand ausgedehnt werden und fast täglich kommen mögliche neue Anklagepunkte hinzu. Der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic hat angekündigt, daß sich Milosevic auch wegen politischer Morde wird verantworten müssen, die während seiner Herrschaft und möglicherweise auch in seinem Auftrag begangen wurden. Zu den Opfern zählten politische Gegner, Journalisten, aber auch mutmaßliche Kriegsverbrecher sowie alte politische Weg-gefährten. Ihnen allen war gemeinsam, daß sie wahrscheinlich zu viel wußten und Milosevic daher gefährlich hätten werden können. Angesichts des katastrophalen politischen und wirtschaftlichen Erbes, das Milosevic hinterlassen hat, ist dessen Verhaftung von Mehrheit der serbischen Bevölkerung begrüßt worden. Die Proteste seiner Anhänger hielten sich bisher in engen Grenzen.

Text plus Zitate:

Die Stadt Pozarevac liegt etwa eine Autostunde von Belgrad entfernt im Südosten Serbiens.

Bekannt ist Pozarevac vor allem als Geburtsstadt von Slobodan Milosevic. Die Familie Milosevic besitzt hier ebenfalls ein Haus. Sohn Marko betrieb in Pozarevac mehrere Unter-nehmen. Viele der 80.000 Einwohner sind auf Milosevic nicht gut zu sprechen. Zu seiner Verhaftung sagen sie:

Vox Pops:

„Es hätte bereits früher passieren müssen“

„Er hätte schon vor langer Zeit verhaftet werden sollen. Die Gründe dafür sind zu gering, er sollte sich für Landesverrat verantworten müssen“

„Wenn er es verdient, ja, wenn nicht, dann nicht, doch ich denke er verdient es.“

„Das ist alles noch zu wenig für diese Strolche“

Auch gegen das Eigentum der Familie richtete sich die Wut auf Milosevic. Diese Pizzeria die Sohn Marko betrieb, wurde am Tag der Revolution beschädigt und ist seit Oktober geschlossen.

Geschlossen ist seit damals auch Markos Bambi-Park, ein Vergnügungszentrum für Kinder. Dei Eröffnung vor zwei Jahren zählte zu den wenigen Anlässen, bei denen Marko Milosevic in der Öffentlichkeit auftrat.

Die Firmen seiner Madonna-Gruppe soll Marko nicht zuletzt durch großangelegten Zigaret-tenschmuggel finanziert haben, doch Beweise dafür gibt es nicht. Auch die Diskothek Madonna gehörte ihm, die nun ebenfalls auf einen neuen Besitzer warten. Auch westliche Schlagworte waren hier präsent ..... doch für viele Morde wird gerade Slobodan Milosevic von Hinterblieben und Gegnern verantwortlich gemacht, obwohl noch vieles offen ist und Milosevic alles bestreitet.

Zeljko Raznatovic, genannt Arkan, soll zu seinen Opfern zählen. Arkan und seine Tiger-Milizen waren in Bosnien und Kroatien gefürchtet; er stand auf der Liste der Angeklagten des Haager Kriegsverbrechertribunals. In einem Belgrader Hotel wurde Arkan im Jänner vergan-genen Jahres erschossen. Angeblich wollte er mit Den Haag zusammenarbeiten. Arkans Sohn macht Slobodan Milosevic für den Mord verantwortlich. Beweise gibt es derzeit nicht.

Eine Hofeinfahrt im Zentrum Belgrads. Hier wurde am 11. April 1999 der Journalist Slavko Curuvija unmittelbar vor seiner Wohnung erschossen. Curuvija zählte zu den schärfsten Kri-tikern von Slobodan Milosevic. Seine Zeitung Dnevni Telegraf wurde verboten. Radomir Markovic, Milosevics serbischer Geheimdienstchef, soll Curuvijas Ermordung organisiert haben. Seine Witwe, Branka Prpa, lebt nach wie vor in der gemeinsamen Wohnung. Zum Auftraggeber des Attentats sagt sie:

„Geheimdienstdokumente über die Beschattung von Slavko Curuvija und mir am 11. April, dem Tag seiner Ermordung, hat das Innenministerium als echt bestätigt. Aus all dem ergibt sich, daß Radomir Markovic, der Chef des Geheimdienstes, nur ein Handlanger aber nicht der war, der den Auftrag gab. Politische Morde sind nur möglich, als Ergebnis eines politischen Willens und einer politischen Entscheidung.“

Und diese Entscheidung sollen Slobodan Milosevic oder dessen Ehefrau Mira Markovic getroffen haben:

„Wenn man sich überlegt, wer die größten Opfer des Milosevic Regimes in den letzten zwei Jahren waren und wer am meisten verfolgt wurde, so sieht man, daß dies die Journalisten waren.“

Der Fall Curuvija könnte nun ebenso geklärt werden wie ein angeblicher Autounfall im Oktober 1999. Auf der Straße nach Lazarevac stieß ein Lastkraftwagen mit zwei Limousinen zusammen. Vier Personen wurden getötet. Sie alle waren enge Mitarbeiter des damaligen serbischen Oppositionsführers Vuk Draskovic. Draskovic selbst wurde nur leicht verletzt. Er beschuldigt den damaligen Geheimdienstchef Markovic, das Attentat organisiert zu haben. Der Fahrer des LKW sei Agent des Geheimdienstes gewesen. Draskovic verweist auch darauf, daß Agenten fast unmittelbar nach dem Zusammenstoß am Tatort eintrafen und sagt:

„Natürlich ist der Oberverbrecher der, der Radomir Markovic den Auftrag zu diesem Verbrechen gab und der Name dieses Verbrechers ist Slobodan Milosevic.“

Markovic sitzt derzeit ebenso in Untersuchungshaft wie Milosevic.

Der Belgrader Stadtteil Kosutnjak zählt zu den Erholungsgebieten der Stadt. Dieses Wald-stück ist aber auch der Schauplatz des mysteriösesten Verbrechen der Ära Milosevic. Bei dieser Bank wurde vor 222 Tagen der frühere Präsident Serbiens, Ivan Stambolic zuletzt lebend gesehen. Bei einem seiner letzten Interviews hatte Stambolic seinen Nachfolger Slobodan Milosevic massiv kritisiert. Am Grabe Titos vor mehr als 15 Jahren zählte Milo-sevic noch zu den engsten Freunden von Stambolic. Doch Milosevic nützte den serbischen Nationalismus und stürzte seien politischen Ziehvater im Mai 1986. Das jugoslawische Drama begann. 14 Jahre später im August 2000 wurde Stambolic in diesem Waldstück beim Waldlauf entführt. Sein Sohn Veljko macht Slobodan Milosevic und dessen Frau Mira für das Verschwinden seines Vaters verantwortlich:

„Vielleicht fühlten sie ihr eigenes Ende nahen nach 13 Jahren dieser dunklen Herrschaft und vielleicht wollten sie einfach nicht, daß Ivan ihr Ende erlebt als einer der Zeugen für all das, was in den vergangenen 20, 30 Jahren geschah.“

Bisher fehlt jeder Hinweis zur Aufklärung des Verbrechens. In diesem Restaurant war Stam-bolic Stammgast. Den Konflikt zwischen Milosevic und Stambolic innerhalb der serbischen Kommunisten sieht dessen frühere Mitarbeiterin, Seska Stanojlovic, so:

„Es gab einen konservativen Flügel, der das alte System und seine Positionen bewahren wollte. Dieser verband sich durch unglückliche Umstände mit großserbischen Nationalisten; dieses nationalistische Projekt führte dazu, daß es zur gleichen Zeit auch zu einer unseligen

Allianz zwischen Antikommunisten und Kommunisten kam.“

Mit dem Sturm auf das Parlament und dem Sturz von Milosevic am 5. Oktober scheiterte diese Allianz endgültig. Ob auch viele Verbrechen aus der Ära Milosevic nach dessen Verhaftung aufgeklärt werden können, werden die kommenden Monate zeigen.
Facebook Facebook