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UNDP zu Mazedonien

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Berichte Nord-Mazedonien
In der mazedonischen Hauptstadt Skopje haben gestern 10.000 Anhänger der Opposition unter Führung des Sozialdemokraten Zoran Zaev gegen die nationalkonservative Regierung von Ministerpräsident Nikola Gruevski demonstriert. Heute Abend wird Gruevski eine Gegendemonstration veranstalten, um seinen Rückhalt in der Bevölkerung zu beweisen. Morgen werden Zaev und Gruevski in Straßburg zusammentreffen, um unter Vermittlung der EU einen Ausweg aus der politischen Krise zu finden. Die Fronten sind verhärtet und in der EU besteht die Sorge, dass der politische Konflikt auch auf das Verhältnis zwischen mazedonischer Mehrheit und der albanischen Volksgruppe belastet könnte. Über dieses Verhältnis und über die soziale Lage hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz in Skopje mit Louisa Vinton, der Leiterin des UNO-Entwicklungsprogramms, abgekürzt UNDP, gesprochen. Hier sein Bericht:

Vor 14 Jahren stand Mazedonien durch den Albaner-Aufstand am Rande des Zerfalls. Doch unter Vermittlung von EU und NATO kam im Sommer 2001 der Friedensvertrag von Ohrid zustande. Er gewährte der albanischen Volksgruppe, die etwa ein Viertel der zwei Millionen Einwohner ausmacht, mehr Rechte. Vor einer Woche starben beim Feuergefecht zwischen albanischen Terroristen und der Polizei in der Stadt Kumanovo im Norden Mazedoniens 14 Terroristen und 8 Polizisten. 60 Prozent der 120.000 Bewohner von Kumanovo sind Mazedonier, 30 Prozent Albaner. Beide Volksgruppen zeigten nach dem Vorfall Solidarität miteinander. Ihr Verhältnis beschreibt in Skopje, die Leiterin von UNDP, Louisa Vinton, so.

"Volksgruppen leben eher nebeneinander als miteinander. Trotzdem hat das Land seit dem Friedensvertrag von Ohrid einen recht weiten Weg zurückgelegt. So gab es viele Fortschritte bei der Beschäftigung von kleineren Volksgruppen in der Verwaltung. Jede Regierung wird aus den beiden größten Volksgruppen gebildet. Natürlich gibt es noch eine große ethnische Distanz und mehr könnte getan werden und es sollte mehr Berührungspunkte zwischen den Volksgruppen geben. Doch Kumanovo ist eines der besseren und nicht eines der schlechtesten Beispiele."

Kumanovo ist eine der wenigen Gemeinden, die von der sozialdemokratischen Opposition regiert wird. Die Stadtverwaltung klagt über mangelnde Unterstützung durch die Regierung in Skopje. Das Pro-Kopf-Einkommen sei deutlich niedriger als in der Hauptstadt. Die Wirtschaft wächst zwar in Mazedonien, doch offiziell sind 28 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung erwerbslos. Noch höher sei die Jugendarbeitslosigkeit, betont Louisa Vinton:

"Hier ist mehr als die Hälfte der unter 29-jährigen arbeitslos. Und die, die gute Jobs haben, haben vom Schulabschluss bis zu einer längeren Beschäftigung sechs Jahre gebraucht. Das hat jüngst eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation gezeigt. Somit sucht man lange nach Arbeit, die keine Teilzeitbeschäftigung oder ähnliches ist. Daraus folgt eine große Auswanderung auf der Suche nach Arbeit. Und damit besteht die Gefahr, dass das Land die agilste und kreativste Bevölkerungsgruppe verliert, weil junge Menschen hier nicht in ausreichendem Maße eine Zukunft sehen."

Ein Schwerpunkt von UNDP liegt daher bei der Förderung von Klein- und Mittelbetrieben, bzw. bei der Unterstützung von Personen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollen. Louisa Vinton nennt zwei Beispiele:

"Ein Mann hat ein Geschäft für Tattoos aufgemacht. Er war Künstler, verdiente aber nicht genug Geld. Wir haben ihn ausgebildet, einen Businessplan zu erstellen, haben ihm Grundbegriffe für Betriebsführung beigebracht und einen kleinen Kredit gewährt, damit er die nötigen Geräte für Tattoomalerei kaufen konnte. Das zweite Beispiel ist eine Bäckereii; der Betrieb begann als Ein-Personen-Unternehmen, die 24 Stunden pro Tag und sieben Tage in der Woche geöffnet hat. Nun hat dieser Betrieb 35 Mitarbeiter, und das ist wirklich eine Erfolgsgeschichte, weil es hier nicht leicht ist, als Kleinbetrieb zu überleben."

Darüber hinaus unterstützt UNDP Behinderte bei der Suche nach einem sinnvollen Arbeitsplatz, hilft Gemeindeverwaltungen bürgernäher zu werden und finanziert auch Projekte zur Abwasserentsorgung und zur Verbesserung der Wasserqualität von Seen, die durch Pestizide und Kunstdünger verschmutzt wurden. All das dient auch dazu, Mazedonien näher an die EU heranzuführen. Doch der Beginn von Beitrittsverhandlungen liegt wegen des Namensstreits mit Griechenland seit Jahren auf Eis, weil die EU-Mitglieder Athen in seiner Blockadepolitik gewähren ließen. Daran scheiterte bereits 2008 auch der Beitritt zur NATO. Diese fehlende Perspektive hat nicht unwesentlich zur politischen Krise beigetragen, die Mazedonien zwar wieder in die Schlagzeilen, der EU aber natürlich keinen Deut näher gebracht hat.

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