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Albaner in Mazedonien und Interview mit Bürgermeisterin von Tetovo

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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien haben Regierung und Opposition bisher keinen Ausweg aus der massiven politischen Krise gefunden. Verhandlungen zwischen je zwei führenden mazedonischen und albanischen Parteien unter Vermittlung von USA und EU verliefen gestern in Skopje ohne Ergebnis. Am Montag soll weiterverhandelt werden. Ihren jüngsten Höhepunkt erreichte die Krise vergangenes Wochenende in der Stadt Kumanovo; dort wurden beim Kampf gegen eine albanische Terrorgruppe 22 Personen getötet, 14 Terroristen und 8 Polizisten. In Skopje will die sozialdemokratische Opposition morgen eine Großdemonstration gegen die Regierung des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Nikola Grujevski abhalten. Seiner Koalition gehört auch die stärkste Albaner-Partei, DUI, die Demokratische Partei für Integration, an. Mit ihrem führenden Mitglied, der Bürgermeisterin der Albaner-Hochburg Tetovo, hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen; hier sein Bericht:

Im Sommer 2001 endete der Albaner-Aufstand in Mazedonien mit dem Friedensvertrag von Ohrid. Er gewährte den Albanern, mit etwa 25 Prozent die zweitstärkste Volksgruppe, viele Rechte, vom Sprachgebrauch bis hin zur Vertretung in der Staatsverwaltung. Seit 2007 ist es Usus, dass die stärkste Albaner-Partei in der mazedonischen Regierung vertreten ist, und zwar unabhängig davon, ob mazedonische Parteien allein regieren könnten. Affären und Skandale der Regierung von Nikola Gruevski haben auch ihrem albanischen Partner, der Partei DUI, viel Sympathien unter den Albanern gekostet. DUI ging aus der Freischärlerbewegung UCK hervor, die im Raum Tetovo, im Nordwesten Mazedoniens ihren stärksten Rückhalt hatte. Die Bürgermeisterin der Stadt, Teuta Arifi, sieht den Vorfall in Kumanovo ebenfalls nicht als nationalen Konflikt zwischen Albanern und Mazedoniern. Die Krise in Mazedonien bewertet Teuta Arifi so:

"In Wahrheit ist das ein innermazedonischer Konflikt, der aber natürlich die Albaner berührt. Für sie war es immer sehr wichtig, in was für einem Land sie leben. Andererseits hat dieser auf den ersten Blick innermazedonische Konflikt die tiefe Teilung zwischen den mazedonischen und albanischen Gemeinschaften relativiert. Denn die verschiedenen Bürgerbewegungen waren sehr daran interessiert, auch Albaner einzubinden, und das ist etwas Neues und Wertvolles. Ich denke, dass die Albaner weder an einen Konflikt zwischen Mazedoniern noch mit Mazedoniern teilnehmen wollen. Die Albaner sind sehr daran interessiert, Teil der Lösung zu werden und sollen das auch sein."

Die Lösung der politischen Krise ist nach Ansicht von Teuta Arifi nur möglich, wenn die sogenannte Quint, gebildet aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien, weiter massiv in Mazedonien engagiert bleibt. Teuta Arifi:

"Die Treffen der Parteiführer werden nur funktionieren, wenn die internationale Beteiligung ernsthaft und substantiell ist. Doch der Prozess des Wandels und der Stabilisierung wird Zeit brauchen und nicht leicht sein. Nötig ist eine politische Aussöhnung, und das betrifft auch die Frage, ob die politischen Parteien zu einer großen Koalition bereit sein werden, was eine der Optionen ist, die bei den Treffen der Parteiführer diskutiert werden muss."

Die 46-jährige Teuta Arifi war nicht nur die erste albanische Abgeordnete im mazedonischen Parlament, sondern ist seit 2013 auch die erste Bürgermeisterin der Albaner-Hochburg Tetovo. 80 Prozent der 95.000 Einwohner sind Albaner, etwa 15 Prozent sind Mazedonier, der Rest entfällt auf kleinere Minderheiten. Mazedonien ist ein zentralistischer Staat, Gemeinden haben nur wenige Kompetenzen, vor allem bei Schulen. Dort bemüht sich Teuta Arifi integrierend zu wirken; bis auf einen Fall besuchen Albaner und Mazedonier in Tetovo dieselben Schulen. Zum Zusammenleben der Volksgruppen sagt Arifi:

"Dort wo die Albaner die Mehrheit sind, haben sie zu zeigen, dass sie tolerant sind und die anderen einbinden. Ist das leicht, nein ist es nicht; denn die mazedonische Gesellschaft ist mit einer ernsten Krise konfrontiert. Und gemäßigtere Werte zu vertreten, ist nicht immer leicht aber wichtig und ich glaube an diese Werte von Toleranz und Gleichheit."

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