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Vor Großdemonstration der Opposition in Mazedonien

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Berichte Nord-Mazedonien
In Skopje soll morgen eine Großdemonstration gegen die nationalkonservative Regierung von Ministerpräsident Nikola Gruevski stattfinden. Organisator der Kundgebung sind die sozialdemokratische Partei sowie kleinere oppositionelle Gruppen und Nicht-Regierungs-Organisationen. Die Opposition wirft Gruevski Machtmissbrauch und Korruption vor. Seit einem Jahr boykottieren die Sozialdemokraten das Parlament. Massiv verschärft hat die politische Krise vor einer Woche das Feuergefecht albanischer Terroristen mit der Polizei in der Stadt Kumanovo, bei dem 8 Polizisten und 14 Terroristen getötet wurden. Aus Skopje berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Seit fast neun Jahren ist der 44-jährige kleingewachsene Nikola Gruevski Ministerpräsident in Mazedonien. Das System seiner Herrschaft will die sozialdemokratische Oppositionspartei SDSM nun durch abgehörte Telefongespräche enthüllt haben, die die Partei seit Wochen veröffentlicht. Sind die Mitschnitte nicht manipuliert, belegen sie Bestechung, die völlige Verpolitisierung von Polizei und Justiz, Wahlbetrug und noch vieles andere mehr. Gruevski weist diese Vorwürfe zurück, doch weder er noch ein führendes Mitglied seiner national-konservativen Partei waren zu einem Interview bereit. In Skopje vergleicht die SDSM Gruevskis Regierungsstil bereits mit dem früheren serbischen Autokraten Slobodan Milosevic. Einen Unterschied macht allerdings Radmila Sekerinska, die stellvertretende Vorsitzende der SDSM:

"Der einzige Unterschied zwischen Gruewski und Milosevic und anderen autoritären Führern besteht darin, dass wir keinen Krieg gegen unsere Nachbarn geführt haben. In Mazedonien hat Gruevski die totale Kontrolle; doch nicht durch eine Partei, sondern durch seine Familie. Alle Fäden laufen bei ihm zusammen. So zeigen auch die Telefonmitschnitte, dass er hinter all dem Mißbrauch steckt. Gruevski will ein System, in dem die Demokratie nur Fassade ist und es trotz Parlament keine Herrschaft des Rechts gibt."

Und wie soll dieses System überwunden werden? Radmila Sekerinska:

"Der entscheidende Schritt müssen faire und demokratische Wahlen sein, die eine Expertenregierung organisiert, die von den größten Parteien unterstützt wird. Alles andere wäre nur eine Scheinlösung. Nur ein derartiger Schritt kann den Glauben der Bürger wieder herstellen, dass nicht die Machthaber, sondern sie bei Wahlen entscheiden; dieser Glaube kann auch die staatlichen Institutionen rehabilitieren. "

Doch Gruevski lehnt eine derartige Regierung bisher ab. Verhandlungen der vier führenden mazedonischen und albanischen Parteien unter Vermittlung von EU und USA brachten noch keine Annäherung. Daher sagt Radmila Sekerinsak:

"Der Druck muss in Mazedonien wachsen, das liegt bei uns. Doch auch der Druck der internationalen Gemeinschaft muss zunehmen. Sie muss die Verantwortung für alle Vorfälle einfordern, und wir müssen einen Weg finden, um die politische Krise zu lösen."

Dem dient auch die morgige Demonstration, bei der auf Parteisymbole bewusst verzichtet wird. Von der Beteiligung wird es abhängen, ob der Druck auf Gruevski weiter wächst. Die größte Sorge der Veranstalter ist jedoch, dass es morgen in Skopje friedlich bleibt, denn Ausschreitungen würden die Spannungen in Mazedonien nur noch verschärfen.

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