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Wahlanalyse

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Wiener Zeitung
Berichte Nord-Mazedonien
Die erste Runde der Präsidenten- und Lokalwahlen in Mazedonien haben gestern drei Dinge klargemacht: dazu zählt erstens die vorläufig ungebrochene Dominanz der konservativen Regierungspartei VMRO-DPMNE unter Nikola Gruevski; sein farbloser Kandidat, George Iwanow erzielte 35 Prozent ( 340.000 Stimmen), der zweitplatzierte sozialdemokratische Bewerber Ljubomir Frckovski aber nur 20 Prozent (198.000 Stimmen).

Trotzdem könnten die Konservativen ihren Zenit in Mazedonien erreicht haben; denn auf ihren früheren Parteigänger Ljube Boskoski entfielen 14,9 Prozent; Boskoski war Innenminister in der Zeit des Albaner-Aufstandes, wurde später ans Haager Tribunal ausgeliefert, dort aber im Prozess freigesprochen. Ihm fehlte bei der Wahl weitgehend jede Infrastruktur, wobei natürlich auszuschließen ist, dass er von den Sozialdemokraten im Geheimen unterstützt wurde. Trotzdem zeigt sein Abschneiden eine wachsende Unzufriedenheit unter den Wählern der VMRO-DPMNE. Das ist jedoch ein Angriff von eher nationalistischer Seite und bedeutet somit keine Stärkung der proeuropäischen Kräfte; sollte Mazedonien die EU-Visa-Befreiung bis Jahresende schaffen, wird der größte Druck der Bevölkerung nachlassen, und mit der EU- und NATO-Annäherung dürfte die Regierung keine wirkliche Eile haben. Denn der Kampf gegen die Korruption lässt ebenso zu wünschen übrig wie eine ehrliche Suche nach einem Kompromiss im Namensstreit mit Griechenland; dann gerade das Feindbild Griechenland ist sehr nützlich, um von echten Problemen und Versäumnissen abzulenken.

Mögliche tiefgreifende Veränderungen signalisieren die Wahlen jedoch zweitens unter den Albanern; der ehemalige erfolgreiche Lokalpolitiker und passable Gesundheitsminister Imer Selmani, erreichte mit 15 Prozent knapp den dritten Platz bei der Präsidentenwahl; doch er gewann mehr Stimmen als die übrigen drei Kandidaten der etablierten Albaner-Parteien zusammen; auch bei den Lokalwahlen schnitt Selmanis Partei recht gut ab. Der 40-jährige Selmani warb im Wahlkampf auch auf Mazedonisch und dürfte auch zum ersten Mal als Albaner Stimmen der Mazedonier bekommen haben. Darauf werden wohl auch die gemäßigten Parteien der Mazedonier reagieren müssen; die starre Blockbildung in Wähler könnte somit mittelfristig aufgebrochen werden; das kann Mazedonien nur weite stabilisieren, das jedoch auf dem Weg zu EU und NATO noch viele harte Jahre vor sich hat.

Dazu zählt drittens bereits die Stichwahl in zwei Wochen; sie ist nur gültig, wenn mindestens 40 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen, ansonsten muss die ganze Wahl wiederholt werden. Die Sozialdemokraten könnten somit zum Mittel des Boykotts greifen, um den sicheren Sieg des konservativen Favoriten zu verhindern. Dies ist umso leichter möglich, weil die Wählerlisten hoffungslos veraltet sind. In manchen Dörfern gibt es mehr Wähler als Einwohner und auf insgesamt 2,1 Millionen Einwohner kommen 1,8 Millionen Wähler über 18 Jahre; das ist praktisch ausgeschlossen, Doch Ordnung und Rechtsstaat stecken vielfach noch in den Kinderschuhen, obwohl OSZE und Europarat die Wahlen mit Recht als eingeschränkt positiv bewertet haben.

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