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Vor vorgezogenen Parlamentswahlen in Mazedonien

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Wiener Zeitung
Berichte Nord-Mazedonien
Anfang April scheiterte beim NATO-Gipfel in Bukarest die Einladung Mazedoniens zum Beitritt am Veto Griechenlands. Grund dafür ist der fast 20 Jahre alte Streit zwischen Athen und Skopje um den Staatsnamen Mazedoniens. In dieser Auseinandersetzung präsentierte sich der konservative Ministerpräsident Nikola Gruevski als kompromissloser Kämpfer für die mazedonische Sache. Davon und von der vermeintlichen Schwäche der Opposition hofft Gruevski morgen bei den vorgezogenen Parlamentswahlen zu profitieren, die er selbst veranlasst hat. Um die Stimmen der 1,8 Millionen Wahlberechtigten werben 18 Parteien und Wahlbündnisse. Zu vergeben sind 120 Mandate, die in sechs Wahlkreisen gewählt werden. Wirklich eine Rolle spielen nur vier Parteien. Bei der mazedonischen Mehrheitsbevölkerung sind dies die regierenden Konservativen und die oppositionellen Sozialdemokraten. Bei der 25 Prozent zählenden albanischen Volksgruppe sind es die mitregierende DPA und die oppositionelle Partei BDI, die im Jahre 2001 aus der albanischen Freischärlerbewegung hervorgegangen ist.

Die Wiedergeburt fortsetzen lautet das Wahlkampfmotte der konservativen Regierungspartei VMR-DPMNE, wobei der Zungenbrecher als Parteiname auf die revolutionäre Tradition der Konservativen aus dem 19. Jahrhundert verweist. Nach Darstellung der Konservativen besteht die eingeleitete Wiedergeburt im Kampf gegen Korruption und Kriminalität, in einer verstärkten Reform des Gerichtswesens und in einer Steuerreform, die Mazedonien den niedrigsten Rahmensteuersatz in ganz Europa und einen Zustrom ausländischer Investoren gebracht habe. Mit 35 Prozent hat Mazedonien dafür auch eine der höchsten Arbeitslosenraten in Europa, und den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der EU konnte die konservative Regierung bisher auch nicht erreichen. Trotzdem behaupten die Konservativen, dass auf dem Weg Richtung EU viel geschehen sei. Als Beispiel führen sie die Einführung von Pässen mit biometrischen Daten im April des Vorjahres an. Außerdem haben die Regierung mit der EU-Kommission einen Vertrag über die Rücknahme von Mazedoniern geschlossen, die sich illegal in der EU aufhalten. In einigen Monaten würden alle Grenzübergänge vernetzte und integriert und damit alle technischen Voraussetzungen für die Visa-Freiheit erfüllt sein.

Diese Argumente findet kein Gehör bei den oppositionellen Sozialdemokraten. Ihre Vorsitzende, Radmila Sekerinska erreichte als Europaministerin, dass die EU 2005 Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten verlieh. Sekerinska verspricht, binnen sechs Monaten ein Datum für Beitrittsgespräche zu erkämpfen. Ministerpräsident Nikola Gruevski wirft Sekerinska vor, Mazedonien in die Isolation zu führen und neuerlich bereits zu sein, jede Chance auf eine euroatlantische Integration zu verspielen. Die Sozialdemokraten beschuldigen Gruevski des Populismus; Als ein Beispiel dient die Umbenennung des Flughafens von Skopje in Flughafen Alexander der Große; Griechenland sieht darin eine Provokation, gilt doch Alexander als unantastbarer griechischer Heroe.

So richtig diese Darstellung ist, so verfängt sie offenbar nicht bei den mazedonischen Wählern – jedenfalls wenn die Umfragen stimmen sollten, denn die Zahl der Unentschlossenen ist noch sehr hoch. Die Umfragen sagen einhellig einen Sieg der Konservativen voraus; sie profitieren von einer leichten Besserung der wirtschaftlichen Lage. Obwohl die Inflation mit 10 Prozent zweistellig ist, stiegen die Durchschnittslöhne im Jahresabstand um zehn Prozent und liegen in Mazedonien nun bei 250 Euro. Der allfällige Sieg der Konservativen könnte ein Ergebnis der mangelnden Ausstrahlung von Sekerinska und des kaum griffigen Wahlkampfes der Sozialdemokraten sein. Bei der albanischen Volksgruppe sehen die Umfragen die oppositionelle Partei BDI neuerlich vor der mitregierenden DPA. Beide Parteien fordern eine finanzielle Unterstützung für die ehemaligen Freischärler des Aufstandes von vor sieben Jahren und für deren Familien und Hinterbliebene. Verlangt wird außerdem die rasche Anerkennung des Kosovo. Einziger programmatischer Unterschied ist, dass die BDI eine gesetzliche Regelung verlangt, wonach die mazedonische Regierungspartei aut0matisch mit der stärksten Albaner-Partei koalieren muss; außerdem fordert die BDI eine Einbindung der Albaner in die Verhandlungen über den Namensstreit mit Griechenland. Bei den Albanern geht es somit vor allem um die Macht, und dieser Kampf wurde auch wieder mit gewaltsamen Mitteln geführt. 270 internationale Beobachter werden daher die Wahl überwachen. Die EU forderte daher wie bereits vor zwei Jahren friedliche und faire Wahlen; sie seien eine Voraussetzung für Beitrittsgespräche, die jedenfalls bisher nicht in Sicht sind.

Der Namensstreit, seine Geschichte und möglichen Folgen

Neue Republik von Mazedonien, Konstitutionelle Republik Mazedonien, Demokratische Republik Mazedonien, Unabhängige Republik Mazedonien und Republik-Ober-Mazedonien - das waren Vorschläge für den neuen Staatsnamen, die ein amerikanische UNO-Vermittler Anfang April beiden Streitparteien vorgelegt hat. Eine Einigung wurde nicht erzielt, und Griechenland blockierte beim NATO-Gipfel in Bukarest die Einladung Mazedoniens zum Beitritt Seine Wurzel hat der Namensstreit im Jahre 1944 als die Tito-Kommunisten Mazedonien als Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawien aus der Taufe hoben. Schlagend wurde die Namensfrage nach dem Zerfall dieses Staates im Jahre 1991 als Skopje als Republik Mazedonien seine Verfassung verabschiedete und die Aufnahme in die UNO beantragte. Griechenland sah darin mögliche Ansprüche auf seine nördliche Provinz, und den Versuch, sein kulturelles hellenistische Erbe und Einschluss von Alexander dem Großen zu usurpieren. 1994 verhängte Athen sogar eine Wirtschaftsblockade. Der Konflikt konnte erst 1995 durch ein Interimsabkommen entschärft werden. Als Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien ist das Land seit damals in der UNO und anderen internationalen Organisationen vertreten. Doch die Lösung des Streits wurde nicht leichter, nicht nur, weil der Flughafen von Thessaloniki nunmehr „Mazedonien“ und der Flughafen von Skopje „Alexander der Große“ heißen. 120 Staaten haben Mazedonien mittlerweile bereits als Republik Mazedonien anerkannt. Skopje zeigte sich bei den Gesprächen mit Griechenland daher nur bereit, für das bilaterale Verhältnis und für internationale Organisationen einen neuen Namen zu akzeptieren. Dagegen fordert Griechenland eine generelle Namensänderung und auch eine Änderung der Verfassung. Der Namensstreit spaltet in Mazedonien zunehmend die Volksgruppen. Für die mazedonische Mehrheit hat der Name Priorität, für die albanische Volksgruppe, die ein Viertel der Bevölkerung ausmacht, sind es der Beitritt NATO und EU. Der Namensstreit könnte somit die Aussöhnung gefährden, die seit dem Albaner-Aufstand 2001 durch die Umsetzung des Friedensabkommens von Ohrid beträchtliche Fortschritte gemacht hat.

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