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Wahlkampf auf Mazedonisch

Zeitung
Berichte Nord-Mazedonien
Zwei erschossene mazedonische Polizisten, Bombenanschläge auf eine Kaserne und ein Büro einer Albaner-Partei, eine Straßenblockade um einen verhafteten mutmaßlichen albanischen Freischärler freizupressen, Geißelnahme nach der Entführung eines Autobusses, sechs Tote und 20 Verletzte bei Schießereien im Albanergebiet im Westen Mazedoniens, Druck auf kritische Journalisten, das sind die Begleiterscheinungen der Kampagne für die mazedonische Parlaments-wahl am 15. September.

Trotz all dieser Vorfälle ist es in Mazedonien bisher nicht wieder zu Gefechten zwischen albanischen Freischärlern und der mazedonischen Polizei und Armee gekommen, die das Land in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres weltweit in die Schlagzeilen brachten. Das Friedensabkommen von Ohrid, unterzeichnet im August des Jahres 2001, hat bisher gehalten. Ein führender Offizier der NATO-Schutztruppe, die in Mazedonien noch immer stationiert ist und auch stationiert bleiben muss, bezeichnet die Lage als „ruhig aber nicht stabil“. Diese Beschreibung trifft grundsätzlich zu, obwohl extremistische albanische Splitter-gruppen aber auch nationalistische Scharfmacher auf mazedonischer Seite noch immer eine Herausforderung für den fragilen Frieden darstellen. Zu ihnen zählt Innenminister Ljube Boskovski. Er trat für eine militärische „Lösung“ des Kon-flikts mit den Albanern ein und rief jüngst auch die slawischen Bewohner in Albanien selbst zum Widerstand auf.

Boskovski gehört der regierenden mazedonischen Partei VMRO-DPMNE an. Auf Deutsch übersetzt heißt diese Abkürzung „Innere Mazedonische Revolu-tionäre Organisation – Demokratische Partei für die Nationale Einheit“. Diese Partei beruft sich in ihrer Tradition auf den Freiheitskampf gegen das Osma-nische Reich und gewann im Jahre 1998 die Parlamentswahl mit nationalen Parolen und dem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen. Doch ebenso lange wie der Parteiname sind auch die offenen und verdeckten Korrupions-vorwürfe gegen die VMRO-DPMNE vier Jahre später. Daher sagen Umfragen dieser Partei unter Führung von Ministerpräsident Ljubco Georgievski und der mit ihr verbündeten Liberalen Partei eine klare Niederlage voraus. Gewinnen soll demnach die Allianz „Für Mazedonien gemeinsam“, die von der Sozial-demokratischen Partei des früheren Ministerpräsidenten Branko Crvenkovski geführt wird. Dieser Koalition gehören noch etwa zehn kleinere Parteien der Serben, der Türken, der Bosniaken und der Roma an.

Ebenso wie auf mazedonischer Seite müssen auch auf albanischer Seite die regierende DPA und die beiden anderen traditionellen Parteien mit einer Nieder-lage rechnen. Stimmenstärkste Albaner-Partei dürfte die „Deomkratische Inte-grationsunion von Ali Ahmeti werden. Ahmeti war der Chef der albanischen Freischärlerbewegung UCK. Er kann vor allem auf junge albanische Wähler zählen, die von den traditionellen Parteien enttäuscht sind. Vor allem die Re-gierungspartei DPA und mit Abstrichen auch die anderen Albaner-Parteien waren und sind ebenso mit dem Makel der Korruption belastet wie viele maze-donische Spitzenpolitiker. Denn ebenso wie bei der Mafia gab es auch unter der regierenden Elite beider Volksgruppen kaum Konflikte, wenn es darum ging, das Land auszubeuten.

Weitgehend friedliche Wahlen aber auch ein Machtwechsel sind zweifellos Schritte hin zur weiteren Stabilisierung des Landes. Doch die neue Regierung wird wieder eine Koalition sein, weil keine Partei mit der absoluten Mehrheit im 120 Sitze zählenden Parlament rechnen kann. Ihre Aufgabe wird der Kampf gegen Korruption und Arbeitslosigkeit sowie die Aussöhnung sein, die nur mit Hilfe der EU zu bewältigen ist. Sie wird vor allem darauf achten müssen, dass die von ihr gewährte Finanzhilfe sinnvoll und auch rasch eingesetzt wird, damit Mazedonien wieder eine Perspektive hat.

Daher befürchten auch viele Nicht-Regier-ungsorganisationen, das die zugesagte Finanzhilfe des Westens in Mazedonien in den Kanälen des korrupten Staatsapparates versanden könnte. So groß wie diese Gefahr sind auch die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des zwei Millionen Einwohner zählenden Mazedoniens, das etwas größer ist als Nieder-österreich. Viele Staatsbetriebe stehen still, die Arbeitslosigkeit ist hoch, der Tourismus als Einnahmequelle litt unter den Gefechten, die ebenfalls große Schäden verursacht haben.

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