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Mazedoniens langer Marsch Der Weg zu Sicherheit und Rechtsstaat ist noch weit

Zeitung
Berichte Nord-Mazedonien
In Skopje hat das mazedonische Parlament jüngst (Mitte März) mit knapper Mehrheit und unter massivem westlichem Druck das Amnestiegesetz beschlossen. Es gewährt den meisten ehemaligen albanischen Freischärlern der UCK Straffreiheit. Nach dem Gesetz über die lokale Selbstverwaltung, das eine beachtliche Dezentralisierung vorsieht, ist das Amnestie-gesetz der zweite wesentliche Schritt zur Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid, geschlossen im August des Vorjahres. Der langwierige Weg zu den Gesetzesbeschlüssen sowie die knappe Mehrheit beim Amnestiegesetz zeigen, wie labil die Lage nach den monatelangen Gefechten immer noch ist.

Ein weiteres Indiz dafür bildet die dornenvolle Rückkehr der multiethnischen Polizei in die Krisengebiete im Norden (Kumanovo) und im Westen (Tetovo) des Landes, die mehrheitlich von Albanern bewohnt werden. Zwar ist mit dem Amnestiegesetz eine wichtige Bedingung der Albaner für die Rückkehr der Polizei erfüllt worden, leicht wird sich die weitere Rückkehr jedoch trotzdem nicht gestalten. Denn beim Aufstand der Albaner im Frühling und Sommer vergangenen Jahres vermischten sich durchaus auch gerechtfertigte politische Forderungen mit kriminellen Motiven, die auch durch das Amnestiegesetz nicht beseitigt wurden. Denn die Schleichwege, die für den Waffenschmuggel etwa aus dem Kosovo benutzt wurden, werden nach wie auch für den Schmuggel anderer Art genutzt (Drogen- und Mädchenhandel). So soll im Raum Kumanovo das Dorf Vakcinse, das durch Gefechte und Vandalismus mazedonischer Sicherheitskräfte schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, ein Sammelzentrum für den Mädchenhandel sein. Dieser Handel mit Frauen vorwiegend aus Osteuropa ist in der Hand der albanischen Mafia, die jedoch auch mit mazedonischen kriminellen Gruppen zusammenarbei-tet und auch Bordelle im ganzen Land beliefert. Der „Kaufpreis“ für eine Frau soll zwischen 1000 und 2000 Euro liegen, wobei in den Bordellen die einheimische und internationale männliche Kundschaft je nach „Kategorie“ zwischen 20 und sogar bis zu 1000 Euro zu be-zahlen haben soll. Nach Vakcinse ist die multiethnische Polizei bisher noch nicht zurückge-kehrt, denn das Dorf zählte zu den Hochburgen der UCK.

Auch im Raum Tetovo ist die Rückkehr der gemischten Polizei bisher nur teilweise gelungen. In 15 Dörfern gibt es noch immer zum Teil beträchtliche Probleme. Diese Dörfer sind eben-falls Hochburgen der UCK und/oder liegen an wichtigen Schmuggelrouten. Gelungen ist die Rückkehr der Polizei bisher in etwa 40 Dörfer in den 10 Gemeinden der Region Tetovo im Westen des Landes. Zwei der Gemeinden sind mazedonisch, der Rest albanische dominiert; davon weisen sieben Gemeinden Bürgermeister der albanischen Partei DPA auf und eine Ge-meinde ist in der Hand der albanischen PDP. Die meisten Polizisten stammen aus der Region selbst; Rekruten, die sich um die Aufnahme in die Polizei bewerben, sollen auch nach partei-politischen Kriterien ausgesucht werden; denn das Gehalt eines Polizisten liegt bei etwa 250 Euro im Monat und das ist für mazedonische Verhältnisse nicht schlecht. Zwar führt das mazedonische Innenministerium auch eine Sicherheitsüberprüfung durch, doch das auch ehe-malige UCK-Kämpfer unter den Polizisten sind, ist kein Geheimnis.

Recht und Gesetz in die Krisenregionen (zurückzu)bringen, darum bemüht sich auch die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Zentrale in Wien sitzt. In Mazedonien sind Polizeioffiziere aus vielen OSZE-Mitgliedsstaaten im Einsatz, die die gemischte Polizei schulen und auf ihren Patrouillen begleiten. Im OSZE-Polizeibüro in Tetovo ist man sich klar bewußt, daß der Aufbau eines Rechtsstaates viel Zeit brauchen wird. Denn zum Einen gilt es, daß Vertrauen der Albaner wieder aufzubauen, und zweitens muß der Widerstand der Organisierten Kriminalität gegen eine Rückkehr der Polizei gebrochen werden. Die gemischte Polizei geht daher unter Begleitung der OSZE auf ihren Fahrten nur sehr vorsichtig vor. Festnahmen werden so gut wie möglich vermieden, um nicht neue Spannungen hervorzurufen. Erschwerend kommt noch hinzu, daß viele Albaner in ihren Dörfern kriminelle Delikte der Polizei nicht anzeigen, sondern lieber selber „regeln“. Polizei- patrouillen, die in der Regel aus etwa fünf Polizisten bestehen (Albaner und Mazedonier), finden derzeit noch vorwiegend am Tag und in den frühen Abendstunden statt. Die Polizei zeigt somit Präsenz, eine ständige Anwesenheit ist derzeit in der Mehrheit der Dörfer noch nicht geben. Probleme bereitet auch das Gelände; denn das Grenzgebiet zwischen dem Kosovo und Mazedonien ist im Raum Tetovo sehr gebirgig und nur schwer zu überwachen.

Ausgebildet und trainiert wird die multiethnische Polizei in einer Akademie knapp außerhalb von Skopje. Geleitet wird die Akademie von einem mazedonischen Polizeigeneral, doch werden neben mazedonischen Ausbildnern auch Polizisten aus den Mitgliedsländern der OSZE eingesetzt, die die Akademie auch praktisch finanziert. Bis Juli sollen 500 Polizisten hier ihre Grundausbildung absolvieren. Die Kurse dauern drei Monate; der zweite begann Anfang März und zählt 150 Rekruten. Von diesen sind 90 Polizeischüler Albaner, 30 Maze-donier und der Rest gehört anderen nationalen Minderheiten an. Die Rekruten dürfen nicht älter als 25 Jahre sein. 15 Prozent der Teilnehmer aus allen nationalen Gruppen müssen Frauen sein. Dadurch soll nicht zuletzt auch bei den Albanern die Emanzipation der Frau unterstützt werden.

Die Ausbildung selbst ist eine normale Polizeiausbildung, doch wird auf Polizeiethik und Menschenrechte besonderer Wert gelegt. Die Schießausbildung umfaßt noch Pistole und Kalaschnikow, doch soll die Ausbildung an der Kalaschnikow künftig gestrichen werden. Denn multiethnische Polizei und Akademie sollen nach dem Willen der OSZE, der mazedo-nischen Führung und des Westens Teil einer umfassenden Polizeireform sein. Derzeit trägt die mazedonische Polizei noch viele Züge von Streitkräften, denn die Polizei verfügt etwa auch über Raketenwerfer. Um europäische Kriterien zu erfüllen, muß Mazedonien jedoch seine Polizei von einer Art Streitmacht zu einer Bürgerpolizei wandeln, deren Hauptaufgabe es sein soll, Freund und Helfer zu sein. Darüber hinaus hofft man in der OSZE durch die gemeinsame Ausbildung der multiethnischen Polizei auch unter den Rekruten einen Korps-geist heranzubilden, um damit auch zur Überwindung der nationalen Spannungen beitragen zu können.

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