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Neue ethnische Spannungen nach Morden an Mazedoniern

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Berichte Nord-Mazedonien
Der Freitag der Vorwoche, der Karfreitag im Orthodoxen Kalender, war für Mazedonien wahrlich ein schwarzer Freitag. An diesem Tag erschossen bisher unbekannte Täter an einem See bei Skopje vier junge Mazedonier im Alter von etwa 20 Jahren und einen Fischer, der offensichtlich Augenzeuge der Morde war. Die Tat löste in Mazedonien einen Schock aber leider auch neuerliche Spannungen zwischen Mazedoniern und Albanern aus, weil einige Medien über einen ethnischen Hintergrund der Tat spekulierten; obwohl das Motiv bisher völlig unklar ist. Die Spannungen zwischen mazedonischer Mehrheit und albanischer Volksgruppe haben seit Jahresbeginn jedenfalls wieder deutlich zugenommen. Über die Lage in dem Balkanstaat berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

In Mazedonien sitzt der Schock über die regelrechte Hinrichtung der fünf Männer noch immer tief. Die Opfer wurden durch Schüsse aus nächster Nähe ermordet. Die Bevölkerung ist spürbar verunsichert, auch weil jüngst in Skopje und Tetovo in Bussen Jugendlich der jeweils anderen Volksgruppe von unbekannten Tätern angegriffen wurden. Am Dienstag demonstrierten in Skopje vorwiegend jugendliche Fußballfans und riefen antialbanische Parolen. Es kam zu Ausschreitungen und Festnahmen. Trajce Trajcev, von der Nicht-Regierungs-Organisation „Gemeinsam für den Frieden“ bringt die Stimmung nach den Morden auf den Punkt:

„Wir hoffen aufrichtig, dass dieses Ereignis einen Wendepunkt darstellt, einen Neubeginn, damit wir nicht mehr um unser Leben und das unserer Angehörigen fürchten müssen. Unsere Geduld ist am Ende. Wenn wir nicht bald eine Verbesserung unserer Sicherheit sehen, werden wir radikale Schritte setzen, um Druck auf die Institutionen auszuüben. Wir sind viele, während wir mit dem Terror einer kleiner brutalen Minderheit von Kriminellen und Mördern konfrontiert sind.“

Nach Jahren relativer Ruhe kam es seit Jahresbeginn vermehrt zu ethnisch motivierten Zwischenfällen; und im Februar erschoss ein mazedonischer Polizist nach einem Streit auf einem Parkplatz in der Stadt Gostivar zwei Albaner – aus Notwehr stellte eine Untersuchung der Polizei fest, der viele Albaner keinen Glauben schenken. Mazedonien hat zwei Millionen Einwohner, jeder Vierte ist Albaner. 2001 stand das Land nach dem Albaner-Aufstand am Rande des Zerfalls, der mit dem Friedensvertrag von Ohrid verhindert werden konnte. Das Abkommen brachte den Albanern zwar spürbar mehr Rechte, beide Volksgruppen einander offensichtlich aber nicht näher. So gibt es nach wie vor ethnisch getrennte Schulen. Dazu sagt in Skopje der Vorsitzende des mazedonischen Journalistenverbandes, der Albaner Naser Selmani

„Die Probleme im mazedonischen Bildungswesen gibt es auch woanders auf der Welt. Doch der Zugang bei uns ist anders. Anstatt jene zu identifizieren, die Probleme machen, werden die Schüler einfach geteilt, und so leben mazedonische und albanische Schüler praktisch in parallelen Welten. In einer derartigen Lage hat man keine Berührungspunkte und die Möglichkeit zum Kennenlernen und zum Abbau von Vorurteilen, sondern es werden neue gebildet, die zu Konflikten führen.“

Verschärft werden die Spannungen noch durch eine schwierige Wirtschaftslage mit hoher Arbeitslosigkeit sowie durch den Namensstreit mit Griechenland um das hellenistische Erbe und um Alexander den Großen, den beide Länder für sich beanspruchen. Denn die Basis der Aussöhnung zwischen Mazedoniern und Albanern bildete das gemeinsame Ziel des Beitritts zu NATO und EU. 2008 scheiterte die Aufnahme in die NATO am Veto Griechenlands, das auch den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU blockiert. Dazu sagt Naser Selmani:

„Das ist eine Quelle der Frustration, die bei den Mazedoniern besteht, weil vor allem für sie der Staatsname sehr wichtig ist, was jedoch nicht für die albanische Gemeinschaft gilt. Wenn sich das nicht ändern, kann das schnell zu ernsthaften Problemen führen, weil leider ein jahrelang ungelöstes Problem ethnisch Spannungen in Mazedonien hervorrufen kann.“

Viele Albaner haben den Eindruck, dass die mazedonische konservative Regierungspartei diesen Streit überhaupt nicht lösen will, und den Misserfolg in dieser Frage dem albanischen Koalitionspartner überlässt, der die Minister für Verteidigung und EU-Integration stellt. Hinzu kommt die Enttäuschung über die EU, die Griechenland offenbar selbst um den Preis einer Destabilisierung Mazedoniens im Namensstreit bisher gewähren lässt.

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