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Interview mit Mazedoniens neuem Präsidenten George Iwanow

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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien ist heute Nacht eine politische Zitterpartie zu Ende gegangen. Denn lange war ungewiss, ob die Stichwahl um das Präsidentenamt nicht an zu geringer Beteiligung scheitern würde. Schließlich wurde die Hürde von 40 Prozent knapp übersprungen, denn 43 Prozent der 1,8 Millionen Stimmberechtigten gingen wählen. Klar fiel das Ergebnis aus; der Kandidat der konservativen Regierungspartei, George Iwanow, gewann mit 63 Prozent. Der 49-jährige Iwanow ist öffentlich bisher als Politiker kaum in Erscheinung getreten; der Jurist und Professor an der Universität in Skopje hat eine akademische Karriere gemacht, und lehrte unter anderem auch in Athen, Sarajewo und Bologna. Iwanow kennt somit auch Griechenland gut, das wegen des Streits um den Staatsnamen die Aufnahme Mazedoniens in die NATO blockiert hat. Mit dem neuen Präsidenten George Iwanow hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Skopje gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

George Iwanow ist mittelgroß, hat angegrautes Haar und graugrüne Augen. Im Wahlkampf wirkte der Professor farblos; mitreißende Reden vor großen Massen sind seine Sache nicht. Den Sieg verdankt er daher der guten Organisation der konservativen Regierungspartei und ihrer noch immer recht disziplinierten Wählerschaft. Im persönlichen Gespräch ist Iwanow viel sicherer und lebendiger; der Streit mit Griechenland um die Verwendung des Namens Mazedonien bringt ihn in Fahrt; seine Lösung skizziert der künftige Präsident Mazedoniens, George Iwanow so:

„Möglich ist eine sogenannte doppelte Formel; ein Name für den internationalen und ein andere Name für den zwischenstaatlichen Gebrauch. Das haben die USA 2004 vorgeschlagen, um den Streit zu schlichten. Unsere Politiker haben das zunächst akzeptiert, dieses Prinzip dann aber verworfen und das tat dann auch Griechenland. So stehen wir wieder am Anfang. Wegen der Wahlen in Mazedonien und der bevorstehenden Europa-Wahlen in Griechenland ist der Prozess blockiert. Möglich ist, dass vor Jahresende, die Verhandlungen wieder eine neue Dynamik bekommen.“

Die griechischen Motive im Namensstreit sieht Iwanow so:

„Griechenland bestreitet unsere Identität als Mazedonier um bestreiten zu können, dass es in Griechenland eine mazedonische Minderheit gibt. Denn Griechenland verwendet nicht das Modell Integration ohne Assimilation; vielmehr schuf Griechenland einen Staat, in dem sie assimilierten und vertrieben und mit Gewalt eine Identität geschaffen haben, die den neuen europäischen Standards nicht standhält, weil die Minderheiten ihre Rechte fordern.“

Doch der Namensstreit ist nur ein ungelöstes Problem; hinzukommen Korruption, Justiz und Verwaltung, die Mazedonien nach Ansicht der EU zu wenig bekämpft und nicht ausreichend reformiert hat. Diesen Vorwurf weist Iwanow auch unter Hinweis auf die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens zurück:

„Wie können für Mazedonien alle internationalen Standards gelten, aber nicht auch für Mitglieder der EU; das ist das, was uns irritiert. Transferieren sie doch Belgien in unsere Region, damit es seine Probleme außerhalb der EU löst; Belgien würde im selben Augenblick zerfallen. Uns dagegen ist es nicht nur gelungen, Flamen und Walonen zu versöhnen, sondern auch alle anderen, und trotzdem haben wir eine Demokratie, die so lala funktioniert.“

Dabei sei Demokratie in Mazedonien eine tagtägliche Herausforderung; denn es gehe nicht nur um das Zusammenleben mit der albanischen Volksgruppe, betont der künftige Präsident:

„Im Gegensatz zu uns ist Zypern bis heute geteilt, obwohl es dort nur Türken und Griechen gibt; doch wir haben hier 26 ethnische Minderheiten, alle dominanten Religionen und Sprachen. Trotzdem gestaltet Mazedonien eine Demokratie, obwohl wir Probleme mit Griechenland haben; hinzukommen der Kirchenstreit mit Serbien und das Sprachproblem mit Bulgarien. Trotzdem bauen wir einen Staat, der funktioniert.“

Das sieht die EU offensichtlich anders; Beitrittsverhandlungen haben noch immer nicht begonnen, obwohl Mazedonien als Anerkennung für die Aussöhnung mit den Albanern schon vor drei Jahren den EU-Kandidatenstatus erhielt. Dazu sagt George Iwanow:

„Europa honoriert nicht, dass unter diesen Bedingungen eine Demokratie funktionieren kann; vielmehr werden neue Bedingungen gestellt, die bisher kein anderes Land erfüllt hat. All das wird nur von Mazedonien verlangt, und das ist ein unfaires Spiel.“

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