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Mazedonien nach Alexander und vor der Präsidentenwahl

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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien finden morgen Präsidenten und Lokalwahlen statt.

Wahlberechtigt sind 1,8 Millionen Stimmbürger. Um die Nachfolge des

sozialdemokratischen Amtsinhabers Branko Crvenkovski, der nicht mehr

antritt, bewerben sich sieben Kandidaten. Es sind dies vier Mazedonier und

drei Albaner. Ein Sieg eines der Kandidaten im ersten Wahlgang ist

praktisch ausgeschlossen, weil dazu mehr als 50 Prozent aller Stimmen

erforderlich sind. Trotzdem ist die Wahl spannend; denn die Europäische

Union hat unmissverständlich klar gemacht, dass ohne wirklich

demokratische, faire und freie Wahlen an eine weitere Annäherung an die EU

nicht zudenken ist. Bei der Parlamentswahl im Vorjahr kam es zu massiven

Unregelmäßigkeiten und ein Mann wurde getötet. In Mazedonien hat unser

Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz den Wahlkampf verfolgt und

folgenden Bericht gestaltet:

„Vater, ist es eine Sünde, wenn ich für Selmani stimme?“ Diese Frage ist

einem Popen in der Stadt Negotino, hundert Kilometer südlich von Skopje,

mehrfach von Gläubigen gestellt worden. Nach Angaben der Tageszeitung

Dnevnik hat der Pope die Frage verneint und seine Schäfchen beruhigt. Der

40-jährige Albaner Imer Selmani kann tatsächlich auch mit Stimmen der

mazedonischen Mehrheit rechnen und vielleicht so als erster Albaner den

Einzug in eine Stichwahl für das Amt des Präsidenten schaffen. Selmani,

ein erfolgreicher ehemaliger Kommunalpolitiker und früherer

Gesundheitsminister, wirbt in beiden Sprachen und verspricht einen „Neuen

Frühling für Mazedonien“. Diese Botschaft verbreitet er auch via

Facebook; zu seiner Kandidatur sagt Selmani:

„Ich bewerbe mich, um ein Präsident für die Albaner, die Mazedonier, die

Türken, die Bosnjaken, Serben, Roma und für alle anderen Bürger zu sein.“

Dass Selmani Präsident wird, ist sehr unwahrscheinlich, doch er verkörpert

den ersten Versuch, die Teilung in albanische und mazedonische

Wählerblöcke aufzubrechen. Als mazedonischer Obama wird Imer Selmani

bereits bezeichnet, auch ein Ausdruck der Enttäuschung vieler Wähler mit

den herrschenden Eliten. Vor allem die mazedonischen Sozialdemokraten sind

heillos zerstritten, ihr Kandidat könnte daher den Einzug in die Stichwahl

verpassen. Als erster in die Stichwahl gehen wird der Kandidat der

konservativen Regierungspartei VMRO-DPMNE, George Iwanow. Dem 48-jährigen

Juristen sagen Umfragen 23 Prozent voraus. Mit enden wollendem Charisma

verkündete er im Wahlkampf:

„Das Europäische Parlament hat eine Resolution zu Mazedonien

verabschiedet; darin wird der EU-Kommission empfohlen, noch in diesem

Jahr Beitrittsverhandlungen aufzunehmen und Mazedonien von der

Schengen-Visapflicht zu befreien. Außerdem wird empfohlen, dass

bilaterale Beziehungen kein Hindernis für die EU-Integration sein

sollen.“

Einzig die Schengen-Vorbereitungen laufen gut, doch der Kampf gegen

Korruption und die Reform des Justizwesens verlaufen ebenso wenig

vielversprechend wie die Verhandlungen im Namensstreit mit Griechenland.

Athen blockierte bereits die Aufnahme Mazedoniens in die NATO, doch

Alexander der Große oder makedonski, wie er in Mazedonien genannt wird,

ist der Regierung in Skopje offensichtlich wichtiger. Nach ihm benannt ist

nicht nur der Flughafen, sondern nun auch eine Autobahn Richtung

Griechenland. Diese Taufe kostete Skopje mehr als 50 Millionen Euro an

EU-Unterstützung, weil Athen sofort das Geld blockierte. Welch skurrile

Blüten der Alexander-Kult treibt, zeigte sich im Vorjahr; damals wurde

die Führung des Stammes der Hunza aus Nordpakistan nach Mazedonien

eingeladen und auch vom Ministerpräsidenten empfangen. Der Sage nach

stammen die Hunza von fünf Soldaten aus Alexanders Armee ab. Ein Heer von

300 internationalen Beobachtern wird morgen auch die Wahlen überwachen.

Selbst wenn sie ruhig verlaufen sind Zweifel angebracht. Denn auf 2,1

Millionen Einwohner kommen 1,8 Millionen Wahlberechtigte und nur etwa 10

Prozent der Mazedonier wäre somit jünger als 18 Jahre.

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