Mazedonien nach Alexander und vor der Präsidentenwahl
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Berichte Nord-Mazedonien
„Vater, ist es eine Sünde, wenn ich für Selmani stimme?“ Diese Frage ist einem Popen in der Stadt Negotino, hundert Kilometer südlich von Skopje, mehrfach von Gläubigen gestellt worden. Nach Angaben der Tageszeitung Dnevnik hat der Pope die Frage verneint und seine Schäfchen beruhigt. Der 40-jährige Albaner Imer Selmani kann tatsächlich auch mit Stimmen der mazedonischen Mehrheit rechnen und vielleicht so als erster Albaner den Einzug in eine Stichwahl für das Amt des Präsidenten schaffen. Selmani, ein erfolgreicher ehemaliger Kommunalpolitiker und früherer Gesundheitsminister, wirbt in beiden Sprachen und verspricht einen „Neuen Frühling für Mazedonien“. Diese Botschaft verbreitet er auch via Facebook; zu seiner Kandidatur sagt Selmani:
„Ich bewerbe mich, um ein Präsident für die Albaner, die Mazedonier, die Türken, die Bosnjaken, Serben, Roma und für alle anderen Bürger zu sein.“
Dass Selmani tatsächlich Präsident wird, ist sehr unwahrscheinlich, doch er verkörpert er den ersten Versuch, die Teilung in albanische und mazedonische Wählerblöcke aufzubrechen. Als mazedonischer Obama wird Imer Selmani bereits bezeichnet, auch ein Ausdruck der Enttäuschung vieler Wähler mit den herrschenden Eliten. Vor allem die mazedonischen Sozialdemokraten sind heillos zerstritten, ihr Kandidat könnte daher den Einzug in die Stichwahl verpassen. Als erster in die Stichwahl gehen wird der Kandidat der konservativen Regierungspartei VMRO-DPMNE, George Iwanow. Dem 48-jährigen Juristen sagen Umfragen 23 Prozent voraus. Mit enden wollendem Charisma verkündete er im Wahlkampf:
„Das Europäische Parlament hat eine Resolution zu Mazedonien verabschiedet; darin wird der EU-Kommission empfohlen, noch in diesem Jahr Beitrittsverhandlungen aufzunehmen und Mazedonien von der Schengen-Visapflicht zu befreien. Außerdem wird empfohlen, dass bilaterale Beziehungen kein Hindernis für die EU-Integration sein sollen.“
Einzig die Schengen-Vorbereitungen laufen gut, doch der Kampf gegen Korruption und die Reform des Justizwesens verlaufen ebenso wenig vielversprechend wie die Verhandlungen im Namensstreit mit Griechenland. Athen blockierte bereits die Aufnahme Mazedoniens in die NATO, doch Alexander der Große oder makedonski, wie er in Mazedonien genannt wird, ist der Regierung in Skopje offensichtlich wichtiger. Nach ihm benannt ist nicht nur der Flughafen, sondern nun auch eine Autobahn Richtung Griechenland. Diese Taufe kostete Skopje mehr als 50 Millionen Euro an EU-Unterstützung, weil Athen sofort das Geld blockierte. Welch skurrile Blüten der Alexander-Kult treibt, zeigte sich im Vorjahr; damals wurde die Führung des Stammes der Hunza aus Nordpakistan nach Mazedonien eingeladen und auch vom Ministerpräsidenten empfangen. Der Sage nach stammen die Hunza von fünf Soldaten aus Alexanders Armee ab. Ein Heer von 300 internationalen Beobachtern wird morgen auch die Wahlen überwachen. Selbst wenn sie ruhig verlaufen sind Zweifel angebracht. Denn auf 2,1 Millionen Einwohner kommen 1,8 Millionen Wahlberechtigte und nur etwa 10 Prozent der Mazedonier wäre somit jünger als 18 Jahre.