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Vor Parlamentswahl in Mazedonien

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Berichte Nord-Mazedonien
In der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien wird morgen das Parlament neu gewählt. Der Mittwoch ist daher in Mazedonien arbeitsfrei. Anlass für den merkwürdigen Termin ist der Wunsch der Regierung, noch vor dem Herbst zu wählen; denn im Oktober wird die EU-Kommission ihren Bericht zu Mazedonien abgeben; die Regierung hofft, dass Brüssel vielleicht sogar grünes Licht für den Beginn von Beitrittsverhandlungen gibt wird, denn der Status eines Kandidaten besteht seit Herbst 2005. Ob die derzeitige Koalition unter Führung des Sozialdemokraten Vlade Buckovski dann noch im Amt sein wird, ist fraglich. Umfragen sagen Buckovski nur den zweiten Platz im 120 Sitze zählenden Parlament in Skopje voraus. Stimmenstärkste Kraft könnte die national-konservative Partei unter Führung von Nikola Gruevski werden. Ob es zum Machwechsel reicht, hängt vom Abschneiden der vielen Kleinparteien und der zwei Parteien der albanischen Volksgruppe ab. Derzeit liegt unter den Albanern die Partei BDI in Front, die mit den Sozialdemokraten die Regierung bildet. Ingesamt werben 33 Listen um die Gunst der 1,7 Millionen Bürger. Den Wahlkampf beobachtet hat für uns in Mazedonien unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, hier sein Bericht:

Eine Kundgebung der albanischen Regierungspartei BDI im Dorf Arandjinovo, wenige Kilometer außerhalb von Skopje. Während des Albaner-Aufstandes vor fünf Jahren wurden hier viele Häuser zerstört. Von den Folgen des Krieges ist nun nichts mehr zu sehen – und auch der Vorsitzende der BDI, Ali Achmeti, hat sich vom Freischärler zum staatstragenden Politiker gewandelt. Stolz präsentiert er am Schulhof seine Bilanz. Neue Schulen seien für die Albaner gebaut worden, die Gleichstellung mit der mazedonischen Mehrheit sei erreicht, in Polizei, Armee und Verwaltung steige die Zahl der Albaner. Ziel sei es nun, alle Reformen durchzuführen, die am dem Weg Richtung EU unumgänglich sind. Diese Botschaft fällt bei der Mehrheit der Albaner offensichtlich auf fruchtbaren Boden; politisch hat Achmeti viel vorzuweisen, obwohl die soziale Lage triste ist. Darauf angesprochen verweist Achmeti auf die vielen Wahlen, die zu meistern waren:

„In den vergangenen vier Jahren hatten wir praktisch vier Wahlen. Die Parlamentswahl 2002, die Präsidentenwahl, die Lokalwahl im Vorjahr, ein Referendum über Dezentralisierung auf nationaler Ebene, zwei Abstimmungen in der Stadt Struga, weil die Mazedonier gegen die Gemeindereform waren, die eine albanische Mehrheit für Struga brachte. All diese Herausforderungen haben wir erfolgreich gemeistert.“

Auf die erfolgreiche Umsetzung des Friedensvertrages von Ohrid verweist auch die sozialdemokratische Politikern Radmila Sekerinska:

„Wir haben Wahlen – vier Jahre nach 2002 und niemand spricht vom Krieg. Das zeigt, dass die Konflikte und Probleme, die wir 2002 hatten, hinter uns liegen. Natürlich werden Fragen der ethnischen Beziehungen immer wichtig sein, dieses Thema darf man nie vernachlässigen; doch diese Themen werden nicht mehr als Sein oder Nicht sein empfunden, sondern sind Teil der politischen Debatte. Das ist die größte Errungenschaft für Mazedonien.“

Radmila Sekerinska ist in der Regierung für die EU-Integration zuständig. Sie hofft, dass die Wähler auch die positiven wirtschaftlichen und sozialen Trends honorieren werden. Trotzdem ist sich Sekerinska der großen Unzufriedenheit bewusst, die bei vielen Mazedoniern herrscht. Die schmerzliche Aussöhnung mit den Albanern hat sich im Alltag bisher kaum bemerkbar gemacht. Offiziell ist jeder Dritte arbeitslos und das Durchschnittseinkommen liegt bei 210 Euro im Monat. Ganz auf diese Probleme zugeschnitten ist der Wahlkampf der national-konservativen Oppositionspartei. Bei Kundgebungen wird zwar auch die alte Parteihymne gespielt; doch der 35-jährigen Vorsitzenden Nikola Gruevski hat es geschafft, die Partei in die Mitte zu führen. Gruevski verspricht eine Wiedergeburt Mazedoniens in hundert Schritten:

„Unser Programm sieht Steuersenkungen vor, denn wir wollen im Steuerwettbewerb zu den konkurrenzfähigsten Staaten in Europa zählen. Außerdem wollen wir Korruption und Kriminalität ernsthaft bekämpfen. Denn diese Probleme betreffen alle Bürger, Mazedonier genauso wie Albaner, Türken und alle anderen Nationalitäten. Gleiches gilt auch für Armut und Arbeitslosigkeit.“

Nationale Themen fehlen in Gruevskis Reden weitgehend. Auch das ist ein Zeichen für die wachsende Normalisierung im Land. Normale, demokratische und faire Parlamentswahlen sind eine Bedingung der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Hier ist das Bild gemischt. So gab es mehrere Zwischenfälle im Wahlkampf, doch sie blieben weit weniger folgenschwer als noch vor vier Jahren. Den Test der EU wird Mazedonien aber nur bestehen, wenn auch ein allfälliger Machtwechsel demokratisch verläuft. Unklare Machtverhältnisse nach der Wahl sind durchaus möglich, weil Umfragen insgesamt auch ein knappes Ergebnis nicht ausschließen.

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