Lage in Mazedonien vor EU-Kandidatenstatus
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Berichte Nord-Mazedonien
Mazedonien hat sich in den vier Jahren seit dem Ende des Konflikts mit der albanischen Volksgruppe sichtbar verändert. Das Friedensabkommen von Ohrid wurde vom Parlament durch konkrete Gesetze umgesetzt und zeigt im Alltag Wirkung. Die Zahl der Albaner in Verwaltung, Polizei und Armee steigt; albanisch ist in Skopje zweite Amtssprache und darf im Parlament ebenso verwendet werden wie die albanische Fahne in den Gebieten, wo die Volksgruppe die Mehrheit stellt. Diese positiven Zeichen des Zusammenlebens sind nicht nur für Mazedonien wichtig; EU und USA erhoffen sich eine gewisse Vorbildwirkung für das weit belastetere Verhältnis zwischen Albanern und Serben, soll doch der internationale Status des Kosovo kommendes Jahr festgelegt werden. In Mazedonien war diese Entwicklung vor allem durch die EU-Perspektive möglich, die einen Staat zusammenhält, der bislang über keine gemeinsame Identität verfügt. Auch daher rechnet man mit einem positiven Bericht der EU-Kommission, der den Weg zum Kandidatenstatus ebnen soll. Das freut die Regierung, die aus mazedonischen und albanischen Parteien besteht; die Bevölkerung hegt aber auch gemischte Gefühle, wie Gespräche in Skopje zeigen. Denn die EU-Kommission dürfte im Avis klar die schmerzlichen Reformen aufzählen, die noch zu bewältigen sind. Dazu zählen der Kampf gegen Korruption und Schattenwirtschaft, ein neues Wahlgesetz, um Wahlbetrug zu unterbinden, die Reform der Gerichte und die Besserung der Wirtschaftslage. Zwar ist die Inflation niedrig, nimmt die Industrieproduktion zu, steigen die Exporte; doch das Außenhandelsdefizit ist hoch, offiziell ist jeder Dritte arbeitslos und die Bürger haben somit nicht spürbar vom EU-Kurs profitiert. Gering sind die ausländischen Direktinvestitionen. Sie betragen seit 1991 insgesamt eine Milliarde Euro, das ist weniger als in Slowenien allein Österreich investiert hat, das in Mazedonien noch immer nur schwach vertreten ist. Das Land hat nur zwei Millionen Einwohner, ist so groß wie Niederösterreich, und kann dank vieler Freihandelsabkommen von anderen Balkan-Ländern aus betreut werden, zumal die Weltbank das Wirtschaftsklima nur als mäßig einschätzt. Hinzu kommen Machtkämpfe in den Regierungsparteien, die Parlamentswahlen in einem Jahr und ungelöste Probleme mit Nachbarstaaten. Dazu zählen der Kirchenkonflikt mit Serbien und der Namensstreit mit Griechenland. Athen widersetzt sich seit fast 15 Jahren der Staatsbezeichnung „Republik Mazedonien“; daraus könnten Ansprüche auf griechisches Territorium abgeleitet werden, lautet die Begründung. Nach Umfragen sind 80 bis 90 Prozent der Griechen gegen den EU-Beitritt Mazedoniens sollte der Namensstreit nicht gelöst werden. Kompromissvorschläge wie Ober-Mazedonien oder Republik-Mazedonien-Skopje blieben bisher erfolglos. Bis zur EU-Mitgliedschaft werden Skopje und Brüssel somit ernsthafte aber auch skurril anmutende Probleme zu bewältigen haben, die jedoch gelöst werden müssen, damit dieses Schlüsselland des Balkan als wirklich stabil bezeichnet werden kann.