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Vor Referendum in Mazedonien

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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien findet morgen ein umstrittenes Referendum über die vom Parlament beschlossene Gemeindereform statt. Die Initiatoren des Referendums wollen verhindern, dass die Zahl der Gemeinden von 120 auf 84 reduziert wird, wie das das Parlament vor einigen Monaten beschlossen hat. Bei der Gebietsreform geht es um viel mehr als nur um die Zusammenlegung von Gemeinden. Gleichzeitig soll damit die albanische Minderheit mehr Rechte erhalten, die etwa 25 Porozent des zwei Millionen Einwohner zählenden Staates ausmacht. Die Besserstellung der Albaner ist im Friedensvertrag von Ohrid vereinbart, der vor drei Jahren bürgerkriegsähnliche Kämpfe zwischen albanischen Freischärlern und mazedonischer Polizei und Armee beendete. Über das bevorstehende Referendum berichtet aus Mazedonien unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Der Friedensvertrag von Ohrid sieht für Gemeinden Zweisprachigkeit vor, in denen mehr als 20 Prozent Albaner leben. Das trifft für viele Gemeinden im Westen bereits jetzt zu. Für die Hauptstadt Skopje wurde diese Bestimmung durch Eingemeindungen im Zuge der Gemeindereform erfüllt. Doch die Reform hat nicht nur die Zahl der Gemeinden reduziert, sondern teilweise auch die ethnische Zusammensetzung verändert. So werden in Struga am Ohrid-See Albaner nun die Mehrheit stellen. Struga war es auch, wo es im Juli zu gewaltsamen Protesten der Mazedonier gegen Reform und Regierung kam. Doch auch in vielen andere Gemeinden ist der Widerstand groß. Dies nutzten nationalistische Opposition und mazedonischer Weltkongress, der die Diaspora vertritt. Sie sammelten mehr als 150.000 Unterschriften und erzwangen so das Referendum, das morgen stattfinden wird. Ziel ist die Rücknahme der Reform. Dazu sagt Todor Petrov vom mazedonischen Weltkongress:

„Mit einem Ja zum Referendum werden die Bürger Mazedoniens zeigen, dass sie gegen eine ethnische Teilung, gegen nationale Intoleranz und gegen eine Desintegration des Staates sind. Gleichzeitig werden die Bürger auch zeigen, dass sie eine ethnische Kantonalisierung ablehnen, wie sie in Bosnien besteht. In Mazedonien gibt es nur eine Lösung für Stabilität, Frieden und Zusammenleben, das ist ein mazedonischer Einheitsstaat. Die Gemeindegrenzen müssen dem Willen der Bürger entsprechen und dürfen kein Grund für ethnische Spannungen und Teilungen sein.“

Die Betreiber des Referendums fürchten, dass die Gemeindereform die bestehende Abwanderung der Mazedonier aus dem an Albanien grenzenden Westteil des Landes verstärken wird. Aus multiethnischen könnten weitgehend geschlossene albanische Siedlungsgebiete werden, die sich an Albanien anschließen könnten. Diese Befürchtung teilt die Regierung nicht. Sie wirft den Nationalisten vor, durch das Referendum die Aussöhnung und den Weg Mazedoniens Richtung EU und NATO zu gefährden. EU und USA haben sich gegen die Abstimmung ausgesprochen. Mazedoniens Ministerpräsident Hari Kostov hat seinen Rücktritt angekündigt, sollte die Gemeindereform fallen. Zum Referendum sagt Kostov:

„Die Bürger haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie unterstützen das Referendum und entscheiden sich für einen Weg zurück und wieder für eine schlechte Lage, oder sie bestätigen die beschlossenen Gesetze, die in Richtung euro-atlantische Integration führen.“

Ob diese Argumentation überzeugt ist offen. Denn die EU ist weit, die wirtschaftliche und soziale Lage ist schlecht, und die Unzufriedenheit mit der sozialdemokratisch geführten Regierung ist groß. Die Sozialdemokraten führten eine Kampagne gegen das Referendum. Sie rechnen damit, dass die Albaner die Abstimmung boykottieren und hoffen, dass genügend Mazedonier diesem Beispiel folgen. Das Referendum ist nur gültig, wenn mehr als die Hälfte der 1,6 Millionen Stimmberechtigten daran teilnimmt. Wird diese Zahl erreicht, gilt die Ablehnung als sicher. In diesem Fall droht Mazedonien zumindestens weiterer Zeitverlust, denn ein Jahr kann dann keine neue Gemeindereform beschlossen werden. Im schlimmsten Fall könnte das Scheitern der Reform zu neuen massiven Spannungen zwischen Mazedoniern und Albanern führen, die sogar den fragilen Bestand des Staates gefährden könnten.

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