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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien ist nehmen die Spannungen zwischen Albanern und Mazedoniern neuerlich zu. Im Raum Tetovo haben Albaner in der Nacht drei mazedonische Polizisten einer Spezialeinheit erschossen und Geißeln genom-men. Diese Zwischenfälle sind die schwersten seit dem Abschluß der Entwaffnung der albanischen Freischärler der UCK durch die NATO Ende September. Ursprünglich hätte heute ein weitere wesentlicher Schritt zum Ab-bau der Spannungen zwischen Mazedoniern und Albanern gesetzt werden. Denn in Skopje sollte das Parlament zur entscheidenden Sitzung zusammengetreten, um über das Friedensabkommen abzustimmen, das im August mazedonische und albanische Parteien unterzeichnet haben. Doch das Parlament tagt zwar, die Ratifizierung des Abkommens steht jedoch bisher nicht auf der Tagesordnung, denn die Parteien haben sich noch immer nicht auf die endgültigen Formulierungen für die Änderung der Verfassung einigen können. Doch selbst wenn das Parla-ment noch heute oder in den kommenden Tagen das Abkommen mit der erforderlichen Zwei-Drittelmehrheit ratifizieren sollte, wird der Weg zur Stabilisierung Mazedoniens noch lange dauern, berichtet aus Skopje unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Tod der drei Spezialpolizisten und die Geißelnahme zeigen, wie zerbrechlich der Frieden in Mazedonien noch immer ist. Erschossen wurden die Polizisten in einem Gebiet im Raum Tetovo, wo ein Massengrab mit den Überresten von 12 Mazedoniern liegen soll, die von Freischärlern entführt und anschließend getötet worden sein sollen. Die Exhumierung des Grabes hat noch nicht begonnen, daher liegen keine verläßlichen Angaben vor. Die gestern von Albanern genommen etwa 20 mazedonischen Geißeln sind nach Angaben der EU in Skopje heute vormittag alle wieder freigelassen worden. Einige Geißeln teilten mit, sie seinen nicht mißhandelt worden. Die mazedonische Seite sprach ursprünglich von bis zu 60 Geißeln und behauptet auch, daß noch einige in der Gewalt von Albanern seien, doch konnten diese Angaben nicht bestätigt werden. Erst vor wenigen Tagen hat die mazedonische Polizei sieben UCK-Mitglieder verhaftet und in deren Auto auch Waffen gefunden. All diese Vor-fälle zeigen, wie dringend die rasche Ratifizierung des Friedensabkommens und die damit verbundene Änderung der mazedonischen Verfassung sind, soll die Lage nicht außer Kontrolle geraten.

Nach den ursprünglichen Vereinbarungen zwischen dem Westen, den Mazedoniern und den Albanern hätten Entwaffnung und Auflösung der Freischärler der UCK sowie die Umsetzung des Abkommens Zug und Zug erfolgen sollen. Gemessen an diesem Zeitplan hätte die Ratifizierung bereits vor sieben Wochen stattfinden müssen. Grund für die Verzögerung sind Konflikte zwischen albanischen und mazedonischen Parteien aber auch innerhalb der Vertreter der Volksgruppen selbst. Das nunmehr dem Parlament vorliegende Dokument sieht die Änderung der mazedonischen Verfassung in 15 Punkten inklusive der Präambel der Verfassung vor. Generell sollen die Albaner mehr Rechte erhalten; die Stellung ihrer Sprache wird aufgewertet, ihre Präsenz in Polizei und Verwaltung wird erhöht. Um die Spannung zwischen Mazedoniern und Albanern zu mindern, sollen das Land dezentralisiert und die Gemeindeautonomie ausgebaut werden. Diese zentralen materiellen Änderungen der Verfassung sind weitgehend geklärt. Umstritten sind bis zuletzt Prestigefragen, wie die Änderung der Präambel. In diesem Zusammenhang wird darum gerungen, auf welche Weise die Völker in Mazedonien aufgezählt werden und ob das mazedonische Volk dabei eine textmäßige Vorrangstellung behalten kann.

Der mazedonische Parlamentspräsident Stojan Andov verlangt außerdem, daß der Änderung der Präambel nicht nur insgesamt Zwei-Dritteln der 120 Abgeordneten, sondern auch Zwei-Drittel der albanischen Vertreter im Par-lament zustimmen. Diese Mehrheit ist jedoch noch nicht erreicht. Doch nicht nur albanische Nationalisten sind mit dem Abkommen unzufrieden. Auch viele Mazedonier sehen sich als Verlierer, denn die Albaner hätten viel, die Mazedonier dagegen nichts bekommen, lautet die entsprechende Argumentation. Belastet wurde der Ratifi-zierungsprozeß noch durch die lange umstrittene Frage der Amnestie für die Freischärler und durch das im Raum Tetovo entdeckte, bereits erwähnte Massengrab.

Die EU hat in all diesen Fragen vermittelt. Sollten diese Bemühungen durch die Ratifizierung des Friedensab-kommens in den kommenden Tagen von Erfolg gekrönt sein, ist ein wichtiger Schritt getan, die Stabilisierung Mazedoniens aber noch lange nicht erreicht. Denn die Dezentralisierung, die Neuregelung der Gemeindegrenzen und auch andere Verfassungsbestimmungen müssen erst durch einfache Gesetze konkretisiert und diese Gesetze auch noch umgesetzt werden. Hinzu kommen die massiven wirtschaftlichen Probleme Mazedoniens, eines Landes, in dem offiziell 35 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos sind und das offizielle Durch-schnittseinkommen im Monat bei 2.300 Schilling liegt. Zwar könnte eine westliche Geberkonferenz noch im Dezember stattfinden, doch bis das Geld fließt wird ebenfalls Zeit vergehen. Außerdem werden in Mazedonien im kommenden Jahr Parlamentswahlen und eine Volkszählung stattfinden müssen und Wahlen sind in einem derart gespannten Klima kein leichtes Unterfangen. EU und NATO-Soldaten werden wohl noch mindestens zwei Jahre im Land bleiben müssen, ehe von einer tatsächlichen Stabilisierung Mazedoniens wirklich gesprochen werden kann.

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