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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien ist die albanische Freischärler-Bewegung UCK immer mehr auch zum politischen Faktor geworden, je länger die Gefechte mit den maze-donischen Streitkräften dauern. Denn die UCK hat gezeigt, daß es genügend Albaner gibt, die bereit sind für ihre Ziele kämpfen. Woher kommen nun diese Kämpfer, woher haben sie ihre Waffen und wer finanziert diesen Kampf. Infor-mationen darüber sind nicht so leicht zu bekommen, denn der Zugang zur UCK im Kampfgebiet ist nicht so einfach und darüber hinaus auch gefährlich. Unserem Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz ist es gelungen, die albanischen Freischärler im Raum Tetovo und im Gebiet von Kumanovo bereits drei Mal zu besuchen. Er hat folgenden Bericht über die UCK, die sogenannte Volksbefreiungsarmee der Albaner in Mazedonien gestaltet:

Eine UCK-Einheit zieht durch das Dorf Vakcinse im mazedonisch-serbischen Grenzgebiet. Diese Einheit, die von der UCK selbst als Spezialeinheit bezeichnet wird, besteht aus neun Mann und einem Kommandanten. Ausgerüstet sind die Freischärler mit Kalaschnikows, einem Maschinengewehr, einer panzerbrechenden Infanteriewaffe, Pistolen und einem Scharfschützengewehr. Sollte diese Gruppe tatsächlich eine Spezialeinheit sein, so sagt dies fiel über den Grad der Bewaffnung der Freischärler aus. Denn die Ausrüstung westlicher Spezialeinheiten ist weit moderner; und schwere Waffen waren bei den Besuchen bei der UCK bisher praktisch nicht zu sehen. Die meisten Kalaschnikows der UCK sind chinesischer Bauart und stammen ebenso wie viele Maschinengewehre aus Beständen der albanischen Armee; sie wurden geplündert als Albanien vor einigen Jahren im Chaos versank, landeten auch im Kosovo und waren ebenfalls in Südserbien im Einsatz und werden nun in Mazedo-nien verwendet. Doch nicht nur derartige Waffen sind bei der UCK zu finden. Auch Maschinengewehre aus Beständen der alten jugoslawischen Streitkräfte sowie neue Pistolen der serbischen Waffenschmiede Zastava sind ebenso in der Hand der Freischärler wie jugo-slawische Panzerminen. Auch ihre Uniformen will die UCK zum Teil bei Herstellern im südserbischen Vranje gekauft haben, wobei die Abzeichen natürlich erst in Mazedonien oder im Kosovo aufgenäht wurden. Wer Geld hat, kann überall am Balkan kaufen, lautet die Auskunft der Freischärler.

Selten zu finden sind bei der UCK westliche Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Eine Ausnahme bilden Funkgeräte der Marke Motorola; doch viele UCK-Kämpfer verwenden auch Mobiltelefone und benutzen das Mobiltelefonnetz Mazedoniens für ihre Gespräche. Zu den wenigen westlichen Waffen, die bei der UCK bisher zu sehen waren zählt ein Scharf-schützengewehr mit dem Namen „Schwarzer Pfeil“. Das Gewehr ist eine amerikanische Waffe, wiegt 18 Kilo, hat ein Kaliber von 12,5 Millimeter und eine Zielgenauigkeit bis auf eine Entfernung von vier Kilometer. Während eine Kalaschnikow etwa 3500 Schilling kostet, kostet der Schwarze Pfeil etwa 300.000 Schilling. Verwendet wird diese Waffe auch von den mazedonischen Streitkräften, doch bei der UCK sind die Finanzquellen weit undurchsichtiger. Finanziert werden dürfte ihr Kampf durch die albanische Diaspora in den USA, der Schweiz, Deutschland, Österreich aber auch aus anderen Ländern. Sicher ist jedenfalls, daß auch nicht wenige Freischärler ehemalige Gastarbeiter sind, denn Deutsch ist eine sehr weit verbreitete Sprache in den Reihen der UCK. Zu den weiteren Finanzquellen dürften Einnahmen der albanischen Mafia aus dem Drogenschmuggel und Menschenhandel zählen. In diesem Sinne vermischen sich bei der UCK auch in Mazedonien politische Forderungen mit wirtschaft-lichen und kriminellen Motiven. Nach Mazedonien gebracht werden Waffen und Ausrüstung aus drei Richtungen; über den Kosovo, über Albanien aber auch über Südserbien; denn all diese Grenzen und das gebirgige Grenzgebiet sind für die ortskundigen Kämpfer kein Hinder-nis, wobei auch Bestechung der jeweiligen Grenztruppen eine beachtliche Rolle spielen dürfte.

Nach Schätzung der Friedenstruppe KFOR stammen etwa 80 Prozent der UCK-Kämpfer aus Mazedonien und 20 Prozent aus dem Kosovo. Diese Einschätzung bestätigt auch der direkte Kontakt mit den Kämpfern etwa im Raum Tetovo:

„Vor dem Krieg hatte ich hier ein Holzgeschäft doch dann griff ich zur Waffe. Ich habe zwei Kinder und eine Familie“, sagt dieser 28-jährige Freischärler in Tetovo.

Sein Kamerad arbeitete vor Krieg als Kellner in Kroatien und sagt: „Ich bin 28 Jahre alt, verheiratet und habe einen Sohn, der fünf Jahre alt ist.“

Ihre Kampferfahrung gesammelt haben viele mazedonische Freischärler bereits in Bosnien, natürlich im Kosovo aber auch in Südserbien. Hinzu kommt, daß führende Freischärler wohl auch von den USA und anderen NATO-Staaten ausgebildet worden sein dürften als es darum ging, Slobodan Milosevic im Kosovo-Krieg zum Einlenken zu bewegen. Denn die NATO wollte keine Bodentruppen einsetzen und griff sicherlich auch auf die kosovarische Befrei-ungsarmee zurück.

All diese Verbindungen zwischen den Albanern und vor allem den USA haben in Mazedonien zu einer massiven Verbitterung gegenüber dem Westen geführt. So sagte jüngst der Regier-ungssprecher in Skopje die NATO sei der Freund unserer Feinde. Zwar hat die NATO die schwachen mazedonischen Streitkräfte mit Ausrüstung und Aufklärung unterstützt und zunächst die Freischärler als Terroristen und blutige Mörder massiv verurteilt; doch nun sitzen diese Freischärler zumindestens indirekt am Verhandlungstisch und viele Mazedonier sehen sich getäuscht; im Spiel waren dabei auch falsche Erwartungen, denn trotz aller Bekenntnisse zur territorialen Integrität Mazedoniens war der Westen natürlich nie bereit, für Mazedonien auch nur das Leben eines Soldaten zu riskieren. Verstärkt wurde die antiwestliche Stimmung durch den Umstand, daß die USA auf die Ukraine und Rußland Druck ausübten, die weitere Aufrüstung der Mazedonier einzustellen. Denn die wenigen Kampfhubschrauber und Schlachtflugzeuge der Streitkräfte stammen aus der Ukraine und sollen auch von ukrainischen Piloten geflogen werden. Daher ist derzeit schwer zu sagen, was bei den Mazedoniern überwiegt, die Feindschaft gegenüber der UCK oder die Enttäuschung über den Westen, der als Freund der Albaner betrachtet wird. Selbst wenn es in Mazedonien daher doch noch zu einem Kompromiß kommen sollte, wird es NATO und EU – unabhängig von allen objektiven Problemen - sehr schwer fallen, in den Augen der Mazedonier wieder als ehrlicher Makler dazustehen.

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