× Logo Mobil

Mazedonien Lage

Radio
Mittags Journal
Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien soll heute ein weitere wesentlicher Schritt zum Abbau der Spannungen zwischen Mazedoniern und Albanern gesetzt werden. Vor einer Stunde ist in Skopje das Parlament zur entscheidenden Sitzung zusam-mengetreten, um über das Friedensabkommen abzustimmen, das im August mazedonische und albanische Parteien unterzeichnet haben. Vorangegangen sind dieser Sitzung sechs Monate an Gefechten, Opfern und Zerstörungen, die Entwaffnung der albanischen Freischärler der UCK durch die NATO sowie langwierige Ver-handlungen. Doch selbst wenn das Parlament heute das Abkommen mit der erforderlichen Zwei-Drittelmehrheit ratifizieren sollte, wird der Weg zur Stabilisierung Mazedoniens noch lange dauern, berichtet aus Skopje unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Nach den ursprünglichen Vereinbarungen zwischen dem Westen, den Mazedoniern und den Albanern hätten Entwaffnung und Auflösung der Freischärler der UCK sowie die Umsetzung des Rahmenabkommens Zug und Zug erfolgen sollen. Gemessen an diesem Zeitplan hätte die Ratifizierung des Abkommens bereits vor sieben Wochen stattfinden müssen. Grund für die Verzögerung sind Konflikte zwischen albanischen und mazedoni-schen Parteien aber auch innerhalb der Vertreter der Volksgruppen selbst. Das nunmehr dem Parlament vorlie-gende Dokument sieht die Änderung der mazedonischen Verfassung in 15 Punkten und die Änderung der Prä-ambel der Verfassung vor. Generell sollen die Albaner mehr Rechte erhalten; die Stellung ihrer Sprache wird aufgewertet, ihre Präsenz in Polizei und Verwaltung wird erhöht. Um die Spannung zwischen Mazedoniern und Albanern zu mindern, sollen das Land dezentralisiert und die Gemeindeautonomie ausgebaut werden. Diese zentralen materiellen Änderungen der Verfassung sind weitgehend geklärt. Umstritten waren bis zuletzt Prestigefragen, wie die Änderung der Präambel. In diesem Zusammenhang wurde darum gerungen, auf welche Weise die Völker in Mazedonien aufgezählt werden und ob das mazedonische Volk dabei eine textmäßige Vorangstellung behalten kann. Auch beim Artikel über die Religionsfreiheit war die Hierarchie der Religions-gemeinschaften lange umstritten. Diese Fragen konnten nun weitgehend geklärt werden, doch ob Zwei-Drittel der 120 Abgeordneten auch für die Verfassungsänderungen stimmen werden, ist bis zuletzt unsicher. Denn die Nationalisten auf beiden Seiten sind mit der Vereinbarung unzufrieden. Vor allem viele Mazedonier sehen sich als Verlierer, denn die Albaner hätten viel, die Mazedonier dagegen nichts bekommen, lautet die entsprechende Argumentation. Hinzu kommt, daß der mazedonische Parlamentspräsident Stojan Andov verlangt, daß der Änderung der Präambel nicht nur insgesamt Zwei-Dritteln der Abgeordneten, sondern auch von Zwei-Drittel der albanischen Vertreter im Parlament zustimmen. Sollte die qualifizierte Mehrheit der Albaner nicht zustimmen, droht Andov, über die weiteren Änderungen der Verfassung nicht abstimmen zu lassen.

Belastet wurde der Ratifzierungsprozeß noch durch die lange umstrittene Frage der Amnestie für die Freischärler der UCK sowie durch ein im Raum Tetovo entdecktes Massengrab. Darin sollen die Überreste von 12 Mazedo-niern liegen, die von der UCK getötet worden sein sollen. Die Exhumierung ist noch nicht erfolgt; sie soll jedoch unter Einbeziehung von Experten des Haager Kriegsverbrechertribunals stattfinden. Die EU hat in all diesen Fragen vermittelt. Sollten diese Bemühungen durch die Ratifizierung des Friedensabkommens im Parlament heute oder in den kommenden Tagen von Erfolg gekrönt sein, ist ein wichtiger Schritt getan, die Stabilisierung Mazedoniens aber noch lange nicht erreicht. Denn die Dezentralisierung, die Neuregelung der Gemeindegrenzen und auch andere Verfassungsbestimmungen müssen erst durch einfache Gesetze konkretisiert und diese Gesetze auch noch umgesetzt werden. Hinzu kommen die massiven wirtschaftlichen Probleme Mazedoniens, eines Landes, in dem offiziell 35 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos sind und das offizielle Durchschnittseinkom-men im Monat bei 2.300 Schilling liegt. Zwar könnte eine westliche Geberkonferenz noch im Dezember statt-finden, doch bis das Geld fließt wird ebenfalls Zeit vergehen. Außerdem werden in Mazedonien im kommenden Jahr Parlamentswahlen und eine Volkszählung stattfinden müssen und Wahlen sind in einem derart gespannten Klima kein leichtes Unterfangen. EU und NATO-Soldaten werden somit wohl noch mindestens zwei Jahre im Land bleiben müssen, ehe von einer tatsächlichen Stabilisierung Mazedoniens wirklich gesprochen werden kann.

Facebook Facebook