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Schwierige Regierungsbildung in Montenegro

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Berichte Montenegro

In Montenegro haben Staatspräsident Milo Djukanovic und seine Partei DPS Ende August die Parlamentswahl äußerst knapp verloren. Djukanovic kommt gemeinsam mit den Parteien der nationalen Minderheiten der Albaner und Bosniaken auf 39 Sitze, die vereinigte Opposition unter Führung proserbischer Parteien auf 41 Mandate. Es ist dies das erste Mal seit 20 Jahren, dass die DPS nun in die Opposition muss. Zusätzlich erschwert wird die Bildung einer stabilen Regierung durch die Heterogenität der Opposition; dabei drängt die Zeit, weil das vom Tourismus abhängige Montenegro wegen der Corona-Pandemie in der tiefsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte steckt. Am 2. Dezember sollen nun der 62-jährige Zdravko Krivokapic und sein Kabinett im Parlament in Podgorica vereidigt werden. In Podgorica hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Zdravko Krivokapic über die neue Regierung und ihre Ziele gesprochen; hier sein Bericht:

Zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl in Montenegro stehen nun die Grundzüge der neuen Regierung einigermaßen fest. Das Kabinett wird von 17 auf 12 Minister verkleinert, weil einige Ressorts zusammengelegt werden. Das Innen- und das Verteidigungsministerium werden der grün-bürgerlichen Partei URA zufallen, die als einigermaßen prowestlich gilt; wer die Ressorts leiten wird, steht noch nicht fest. Vor der Wahl versprach die proserbisch dominierte Opposition eine Experten-Regierung, ein Versprechen, das bestenfalls nur in Ansätzen gehalten wurde. Klar ist, dass praktisch allen künftigen Ministern politische Erfahrung fehlt; dafür stehen viele Kandidaten und Kandidatinnen der Serbisch-Orthodoxen Kirche in Montenegro nahe. Die Regierung unter Staatspräsident Milo Djukanovic wollte diese Kirche unter staatliche Kontrolle bringen; der Versuch führte zu Massenprotesten und war ein Grund für Djukanovics knappe Niederlage. Auch der künftige Regierungschef, Zdravko Krivokapic, kam erst als ein Aushängeschild dieser Protestbewegung in die Politik. Er ersuchte bereits jetzt um eine Schonfrist für sein Kabinett nicht von 100 sondern von 200 Tagen; warum, begründe Krivokapic so:

"Zum ersten Mal in der Geschichte Montenegros ist durch den Stimmzettel ein Regime besiegt worden. Hinzu kommen die Corona- und die Wirtschaftskrise. Daher wollen wir eine Schonfrist von 200 und nicht von 100 Tagen. Denn wir müssen die gesamte Regierung umstrukturieren, und diese Änderungen auch bei der Arbeit der Ministerien dauern bereits mindestens 100 Tagen. Daher wollen wir eine längere Schonfrist."

Ob diese Frist gewährt wird, ist fraglich. Führende Vertreter der proserbischen Opposition und ihre Parteien wurden bei der Regierungsbildung aus welchen Gründen auch immer übergangen. Sie kritisieren das kommende Kabinett bereits heftiger als Djukanovic und seine Partei, die nach außen sehr zurückhaltend agieren Der Zeitdruck ist groß, unter dem Krivokapic steht; wegen der Änderung der Ressortverteilung kann der vorliegende Budgetentwurf für 2021 so nicht beschlossen werden; dazu sagt Zdravko Krivokapic:

"Bis zum 15. November müssten wir nach dem Gesetz den Budgetentwurf dem Parlament vorlegen, wobei das Budget bis spätestens 31. Dezember beschlossen werden muss. Gelingt das nicht, haben wir ein weiteres Problem. Auf der Basis des Budgetentwurfs arbeiten wir intensiv daran, ein neues Budget zu erstellen, damit wir dann nicht alle drei Monate einen Nachtragshaushalt vorlegen müssen. Dabei helfen uns Experten; ich bin überzeugt, dass der Beschluss bis Jahresende möglich ist, wenn alle künftigen Minister und die Verwaltung rund um die Uhr arbeiten werden."

Die Gegnerschaft zu Milo Djukanovic war der einigende Faktor der bisherigen Opposition. Auch ihre Heterogenität könnte nun dazu führen, dass Montenegro inmitten von Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise auch noch politische Instabilität bevorsteht.

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