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Montenegro vor der Präsidentenwahl

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Berichte Montenegro

Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Montenegro ist das Land, das nach Einschätzung von Brüssel am weitesten auf dem Weg Richtung EU-Mitgliedschaft fortgeschritten ist. Ein Beitritt wird in der jüngst veröffentlichen EU-Westbalkan-Strategie für das Jahr 2025 für möglich gehalten, sollte das Land seine Hausaufgaben erfüllen und politisch stabil bleiben. Ein Test auf diesem Weg sind die Präsidentenwahlen die morgen in Montenegro stattfinden; es werben sich sieben Kandidaten, doch eine Chance auf eine absolute Mehrheit und damit auf den Sieg bereits am Sonntag hat nur Milo Djukanovic, der Montenegro de facto seit 27 Jahren regiert. Er führte Montenegro 2006 in die Unabhängigkeit von Serbien und im Vorjahr auch in die NATO, hatte aber seit November 2016 keine staatspolitische Funktion mehr inne, war aber weiter Vorsitzender der stärksten Regierungspartei DPS. Djukanovics Rückkehr in die politische Arena, soll den Machterhalt der DPS sichern; der Wahlkampf war ganz auf Milo Djukanovic zugeschnitten; aus Montenegros Hauptstadt Podgorica berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

So wie Milo Djukanovic seit mehr als zwei Jahrzehnten Montenegro dominiert, so dominierte er auch den gesamten Wahlkampf; seine Plakate waren stärker präsent als die aller seiner sechs Gegenkandidaten. Djukanovic wirbt mit dem Motto Stabilität und Fortschritt. Er warnte vor einer Abkehr vom Westkurs, sollte er in die Stichwahl gegen einen von der proserbischen Opposition unterstützen Gegenkandidaten müssen. Djukanovic kann auf wachsende Tourismuszahlen und ein gutes Wirtschaftswachstum verweisen. Zu den Problemen zählen die Arbeitslosigkeit und die Abwanderung vieler junger Menschen ins Ausland. Bei einer seiner Kundgebungen sagte daher Milo Djukanovic:

„Wir wollen ein Fonds schaffen, in dem der Staat gemeinsam mit der Wirtschaft unseren besten Studenten die Ausbildung an den besten Universitäten der Welt ermöglicht. Auf diese Weise werden wir das Fehlen der kritischen Masse jener Spezialisten sicherstellen, bis unser eigenes Bildungssystem in der Lage sein wird, dieselbe Qualität an Ausbildung zu gewährleisten."

Djukanovics möglicher Gegenkandidat in einem allfälligen zweiten Wahlgang ist der 56-jährige Börsenexperte Mladen Bojanic; er war vier Jahre Abgeordneter im Parlament und ist derzeit parteilos; seine berufliche Karriere begann er als Stipendiat der USA und von Großbritannien. Bojanic kritisiert wie alle anderen Kandidaten auch die negativen Folgen der Landzeitherrschaft von Milo Djukanovic, Parteibuchwirtschaft in den Institutionen sowie Korruption; dazu sagt Milan Bojanic;

"Ich habe einige Zeit in London gelebt und kenne die westliche Demokratie daher sehr gut. Sie ist unser Ziel, das heißt unabhängige Institutionen, Rechtsstaat und auf dieser Basis dann eine Marktwirtschaft. Gerüchte, dass ich pro-russisch sei, sind einfach falsch; das sind Unwahrheiten, die Milo Djukanovic verbreitet, um seine westlichen Mentoren weiter davon zu überzeugen, dass er der einzige sei, der Montenegro in die EU führen könne."

Bojanic hat keine politische Hausmacht; unterstützt wird er auch von proserbischen Parteien; er war gegen den NATO-Beitritt; ein unzweifelhaftes Bekenntnis zur NATO kommt ihm auch jetzt nicht über die Lippen, klar ist sein Bekenntnis zum EU-Beitritt. Den Sieg im ersten Durchgang kosten könnte Milo Djukanovic aber nicht Mladen Bojanic, sondern Draginja Vuksanovic, die erste weibliche Kandidatin in der Geschichte Montenegros. Vuksanovic ist Professorin an der Juridischen Fakultät in Podgorica. Sie kandidiert für die Sozialdemokraten, die viele Jahre mit Milo Djukanovic koalierten, sich aber mit ihm zerstritten haben. Draginja Vuksanovic ist klar für NATO und EU; Milo Djukanovic kritisiert sie so:

"Montenegro wird erst stabil sein, wenn Milo Djukanovic nicht mehr an der Macht ist. Polizei, Geheimpolizei, Justiz und andere staatliche Institutionen müssen entpolitisiert werden. Da hat der Staatspräsident einen politischen Konsens zu vermitteln, wie das erreicht werden kann. Außerdem sollen die Bürger durch einen wirtschaftlichen Patriotismus zusammengeführt werden; ein besserer Lebensstandard für all wird die Gegensätze auslöschen."

Auch Vuksanovic ist kein politisches Schwergewicht bei den Sozialdemokraten. Auffällig ist, dass kein Vorsitzender einer Oppositionspartei für das Präsidentenamt kandidiert. Wahlberechtigt sind 530.000 Bürger; nach Umfragen liegt Djukanovic bei 50 Prozent, die morgige Wahl verspricht spannend zu werden.

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