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Bleibt Djukanovic oder fällt er nach der Wahl

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Berichte Montenegro
Der ehemalige englische Topstürmer Garry Lineker definierte seinen Sport einmal so: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“ Das gilt heute nicht mehr für Deutschland, während bei Wahlen in Montenegro bisher eine abgewandelte Form dieses Lineker-Sprichworts zur Anwendung kam; demnach finden Wahlen alle vier Jahre statt, am Ende gewinnt aber immer Milo Djukanovic. Er wurde 1991 mit 31 Jahren der jüngste Ministerpräsident in Europa und bis heute ist er an der Macht. Doch bei den morgigen Parlamentswahlen könnte die Ära Djukanovic in Montenegro zu Ende gehen, und zwar auch deshalb, weil die Opposition zum ersten Mal geschlossener auftritt als je zuvor. Über die Grenze des Balkan-Staates hinaus von Bedeutung ist die Wahl, weil ihr Ausgang auch darüber entscheiden könnte, ob das Balkanland mit seinen 620.000 Einwohnern im nächsten Jahr tatsächlich der NATO beitreten wird, oder nicht. Den Wahlkampf verfolgt hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, hier sein Bericht:



In Montenegro war der Wahlkampf der führenden Regierungspartei DPS ganz auf ihren Vorsitzenden Milo Djukanovic zugeschnitten. Djukanovic führte Montenegro vor 10 Jahren durch ein Referendum friedlich in die Unabhängigkeit VON Serbien. Seit einigen Jahren verhandelt Montenegro mit der EU über seinen Beitritt; mehr als 20 der 35 Kapitel sind eröffnet aber nur zwei vorläufig geschlossen. Der NATO-Beitritt soll nächstes Jahr stattfinden. In diesem Sinne präsentierte sich Milo Djukanovic im Wahlkampf als Garant der Unabhängigkeit und verkündete:



„Die Bürger stehen bei diesen Wahlen nicht vor einem neuen, unbekannten Dilemma. Denn auch heute sind wir mehr oder weniger mit denselben Politikern konfrontiert, die damals gegen Montenegro waren und die heute konsequent ihre antimontenegrinische Mission verfolgen.“



Wirtschaftlich steht Montenegro im Vergleich zu seinen Nachbarn nicht so schlecht da, trotzdem könnte Djukanovics Ära morgen zu Ende gehen. Seine lange Herrschaft hat klare Schattenseiten – Parteibuchwirtschaft und Korruption sind weit verbreitet; das Vertrauen der Bürger in faire Wahlen ist gering, obwohl ernsthaft versucht wurde, veraltete Wählerlisten zu modernisieren. Alle diese Missstände prangerte die Opposition an, die in zwei größeren Wahlbündnissen geschlossener auftritt als bisher. Trotzdem eint nur die Gegnerschaft zu Djukanovic die Opposition, in der proserbische, prorussische und prowestliche Parteien vertreten sind. Diese Heterogenität konnte in der Frage des NATO-Beitritts nur durch die gemeinsame Forderung nach einem Referendum übertüncht werden; sein Ausgang wäre ungewiss, daher ist die Regierung gegen eine NATO-Volksabstimmung; dazu sagt in Podgorica die Politologin Milica Kovacevic:



„Die NATO-Befürworter haben betont, dass diese Wahlen auch ein Referendum über den NATO-Beitritt sind, und dass die Unterstützung für diese Parteien eine Unterstützung für die Ratifizierung des Beitrittsprotokolls ist. Daher kann von den Wahlen wirklich der außenpolitische Kurs Montenegros abhängen.“      



Djukanovics Partei DPS hatte bereits bisher keine absolute Mehrheit im Parlament mehr, sondern regierte mit kleineren Koalitionspartnern; zwar dürfen Umfragen seit zwei Wochen nicht mehr veröffentlich werden, trotzdem ist davon auszugehen, dass die DPS morgen keine absolute Mehrheit gewinnen kann. Liegt sie nur relativ knapp darunter, könnte Djukanovic wieder die besseren Karten im Koalitionspoker haben, doch auch das Ende seiner Ära kann dieses Mal zum ersten Mal nicht ausgeschlossen werden.
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