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Montenegro seit einem Jahr unabhängig

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Vor einem Jahr stimmte die Mehrheit der 620.000 Montenegriner bei einem Referendum für die Auflösung des Staatenbundes mit Serbien. Überwacht wurde die Abstimmung von der EU. Sie hatte verlangt, dass mindestens 55 Prozent für die Loslösung stimmen müssten, damit Brüssel die Unabhängigkeit anerkennen würde. Diese Marke wurde knapp aber doch übersprungen. Sie wurde festgelegt, um dem Referendum in einem Land mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, in dem sich 30 Prozent der Bevölkerung als Serben bezeichnen und das historisch sehr enge Beziehungen mit Serbien hat.

Diese Beziehungen zwischen Belgrad und Podgorica sind seither auf politischer Ebene eher einen Nicht-Verhältnis gewichen. Im Gegensatz zu Montenegro hat Serbien noch keinen Botschafter ernannt, und in Belgrad gewinnt man den Eindruck, dass der nationalistische Ministerpräsident Vojislav Kostunica Probleme hat, sich mit der Unabhängigkeit abzufinden. In Montenegro selbst bestehen nach wie vor Konflikte zwischen der serbisch-orthodoxen Kirche und der international nicht anerkannten autokephalen montenegrinischen Orthodoxie. Umstritten ist in der geplanten neuen Verfassung auch die Staatssprache, die bisher Serbisch war. Das wollen die Befürworter der Unabhängigkeit ändern, und das Tauziehen um einen möglichen Kompromiss dauert noch an. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass mancherorts vorhergesagte massive Spannungen zwischen beiden Lagern bisher nicht eingetreten sind.

Generell hat sich die Unabhängigkeit bisher jedenfalls bezahlt gemacht. Politisch ist Montenegro weit stabiler als Serbien, das zusätzlich mit der Erblast des Haager Tribunals zu kämpfen hat. Montenegro konnte das Abkommen über die EU-Annäherung mit Brüssel bereits paraphieren, während die Gespräche zwischen Belgrad und Brüssel noch immer auf Eis liegen. Auch die bevorstehende Unabhängigkeit des Kosovo macht Montenegro viel weniger zu schaffen als Serbien. Wirtschaftlich macht sich die Eigenstaatlichkeit ebenfalls bezahlt; die Einnahmen aus dem Tourismus steigen stark an, das Interesse ausländischer Investoren ebenso. Der Euro ist die Währung, die Steuern sind niedrig und Unternehmensgründungen leicht. Hemmend wirken Bürokratie, Korruption sowie die nach wie vor unterentwickelte Infrastruktur, von der Straße bis hin zur Strom- und Wasserversorgung.

Trotzdem ist die Entwicklungsperspektive gut, von der viele Montenegriner aber noch nicht profitieren. Touristen und vor allem der massive Zustrom an Russen machen das Land sehr teuer. So soll ein Russe jüngst 11.000 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung an der Küste bezahlt haben. Neben angeblich bereits 5.000 montenegrinischen Euro-Millionären gibt es daher auch viele Familien, die es sich kaum mehr leisten können, ihren Kindern eine Wohnung zu kaufen. Hinzu kommt noch der große Unterschied zwischen der Küstenregion und dem unterentwickelten Norden, der aber mit Hilfe von Tourismuseinnahmen ebenfalls für den alpinen Fremdenverkehr erschlossen werden soll.

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