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Alles fließt Montenegro wählt am 22. April

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Berichte Montenegro
Das Parlament der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro hat sich zwar gestern selbst aufgelöst und Neuwahlen für den 22. April angesetzt, eine Klärung der politischen Situation ist damit aber noch nicht eingetreten. Denn die fünf montenegrinischen Parteien im Parlament in Podgorica, in dem auch zwei albanische Abgeordnete sitzen, sind grade dabei sich zu positionieren. Grund-sätzlich klar sind die Hauptlinien der Politik in Montenegro, die das Land schon seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts prägen. Die sogenannten „Grünen“ sind stets für die Unabhängigkeit eingetreten, während die „Weißen“ für den An-schluß an Serbien waren und sind.

Zu den Grünen zählen im 78 Mandate umfassenden Parlament die oppositionelle Liberale Union und die mitregierenden Sozialdemokraten (SDP) mit je fünf Ab-geordneten. Die SDP ist der Koalitionspartner der Demokratischen Sozialisten (DPS) von Präsident Milo Djukanovic. Die DPS ist mit 30 Sitzen die größte Partei Montenegros. Auch in der DPS sind die Unabhängigkeitsbefürworter in der Mehrheit, doch es gibt auch Spitzenpolitiker wie Parlamentspräsident Sve-tozar Marovic; Marovic hat sich nie so eindeutig für die Unabhängigkeit von Serbien ausgesprächen wie sein Parteivorsitzender Djukanovic. In diesem Sinne verkörpert die DPS einen Querschnitt der Bevölkerung, die in dieser Frage eben-falls gespalten ist. Jeweils ein Drittel der 660.000 Montenegriner sind dezidiert für oder gegen die Unabhängigkeit. Das dritte Drittel schwankt in dieser Frage und muß gewonnen werden, damit die Entscheidung in die eine oder andere Richtung fallen kann. Nach Umfragen haben jedenfalls die Unabhängigkeitsbe-fürworter derzeit eine knappe Mehrheit.

Zu den Anhängern einer erneuerten Föderation in Serbien zähl im Parlament in Podgorica die Volkspartei (NS) mit sieben Sitzen. Sie war bisher Djukanovics Koalitionspartner, doch verließ sie die Regierung als DPS und SDP sich auf einen Unabhängigkeitskurs festlegten. Der Bruch dieser Koalition hat nun die Neuwahlen ausgelöst. Die wichtigste pro-serbische Kraft ist die Sozialistische Volkspartei (SNP). Die SNP ist mit 29 Mandaten die größte Oppositionspartei. Sie spaltete sich von Djukanovics Partei ab als dieser vor drei Jahren auf Kon-frontationskurs zu Slobodan Milosevic ging. Mit dem Sturz von Milosevic vollzog SNP einen Schwenk und bildet nun im jugoslawischen Bundesparla-ment mit der Allianz DOS von Vojislav Kostunica eine Koalition. Zu Gute kam der SNP, daß die pro-westlichen Parteien Montenegros die Wahlen in Jugosla-wien boykottierten, so daß DOS über keine Alternative verfügte. Der Schwenk der SNP soll nun beim Parteitag am 24. Februar abgeschlossen werden. Denn der Milosevic-Gefolgsmann, Momir Bulatovic, soll durch Pedrag Bulatovic ersetzt werden, der auch für den Westen ein annehmbarer Politiker sein könnte.

Fraglich ist, wie die pro-serbische Wählerschaft auf diese Änderung reagieren wird, in der nach wie vor auch ein harter Kern von Milosevic-Anhängern existiert. Nicht völlig auszuschließen ist auch die Bildung eines pro-serbischen Blocks, der auf Drängen Belgrads gemeinsam zur Wahl antreten könnte.

Möglich ist auch, daß sich die drei Unabhängigkeitsbefürworter zu einem Wahl-block zusammenschließen. Abgesehen von den Parteienverhandlungen wird diese Frage auch von Meinungsumfragen und von der Stimmung in Djukanovics DPS abhängen. Bisher hat es die DPS jedenfalls vermieden, sich jede Möglich-keit eines Kompromisses mit Belgrad in der Frage der Unabhängigkeit zu ver-bauen. Daher ist auch ein getrenntes Antreten der DPS eine realistische Option, wobei dann auch eine Koalition mit der SNP nicht ausgeschlossen ist; denn die DPS hätte statt der Wahl auch eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der Liberalen bilden und gleich das Referendum über die Unabhängigkeit ausschrei-ben können. Doch dazu kam es nicht; denn das Verhältnis zu den Liberalen ist gespannt und die Stimmung der Bevölkerung nicht so eindeutig, daß eine slowe-nisches Ergebnis beim Referendum zu erwarten wäre. Hinzu kommt, daß die SNP mit ihrem Boykott drohte, sollten nicht zuvor Wahlen abgehalten werden. Eine Vorentscheidung über den künftigen Kurs Montenegros wird somit bei den Wahlen fallen. Kommt es zu einem klaren Sieg der einen oder der anderen Seite, so ist der Weg Montenegros klar. Bleiben die Machtverhältnisse etwa gleich, wird viel davon abhängen, ob es zu ernsthaften Verhandlungen mit Belgrad kommt und wie EU und USA die Lage beurteilen. Ein Referendum ist aber auch in diesem Fall wahrscheinlich, um doch zu einer Klärung der Zukunft Montene-gros zu kommen, die zwischen Unabhängigkeit oder erneuerter Föderation mit Serbien liegt.
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