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Neuer Staat mit Ablaufdatum

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Berichte Montenegro
In Belgrad tritt am Montag das serbische Parlament zusammen, um die Umwandlung Jugo-slawiens in die lose Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro zu beschließen. Verab-schiedet werden sollen die Verfassung und ein Durchführungsgesetz. Das Parlament in Montenegro will die Gesetze am Dienstag beschließen. Eine Grundsatzvereinbarung wurde unter Vermittlung der EU vergangenen März erzielt, doch dauerte die Ausarbeitung der Ver-fassung statt der geplanten drei nun 11 Monate. Unter dem Druck der EU verzichteten die montenegrinischen Unabhängigkeitsbefürworter für drei Jahre auf die Loslösung von Serbien, erreichten aber große Selbständigkeit. Dementsprechend schwach sind die Institutionen, die die Verfassung des neuen Staatengebildes vorsieht: an der Spitze steht ein vom neuen Parla-ment gewählter Präsident, der auch Regierungschef ist. Das Kabinett hat fünf Ministern, je einem für Verteidigung, Außenpolitik und Minderheitenfragen und aus je einem Minister für internationale und interne Wirtschaftsbeziehungen. Finanzministerium gibt es keines; der neue Staat hat kein eigenes Budget. Das Parlament hat 126 Mitglieder, 91 aus Serbien und 35 aus Montenegro. Für die kommenden zwei Jahre werden sie von beiden Republiksparlamen-ten entsandt und zwar entsprechend den dort herrschenden Stärkeverhältnissen; das bedeutet, daß die Koalition DOS des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und die Koalition des montenegrinischen Ministerpräsidenten Milo Djukanovic, die Mehrheit haben werden. Die Bildung aller Institutionen soll bis Ende März vollendet sein, doch damit ist die Umwan-dlung Jugoslawiens noch nicht abgeschlossen. Umzusetzen ist etwa das Durchführungsgesetz, das auch die Teilung des Vermögens des bisherigen Staates und damit praktisch die Tren-nung von Tisch und Bett zwischen Serbien und Montenegro vorsieht. Der Widerstand vor allem gegen das Durchführungsgesetz ist in Serbien groß und im Parlament ist die nötige ab-solute Mehrheit noch nicht völlig gesichert. Selbst wenn sie erreicht wird, ist die Umwand-lung Jugoslawiens noch keineswegs abgeschlossen und auch der neue „Staat“ ist noch nicht endgültig gesichert. So steckt die Harmonisierung der Volkswirtschaften Serbiens und Monte-negros noch in den Anfängen. Sie ist die Voraussetzung für die Annäherung an die EU. Das betrifft etwa alle Zolltarife; gefunden werden muß auch eine Regelung für den Zahlungsver-kehr. In Serbien ist der Dinar die Währung, in Montenegro aber der Euro. Unterschiedlich sind auch wirtschaftlichen Voraussetzungen und das Reformtempo. Serbien ist mehr als 10 Mal so groß, Industrie und Landwirtschaft sind wichtig; Montenegros Haupteinnahmequelle ist dagegen der Tourismus. Doch selbst wenn die Harmonisierung gelingt, kann Montenegro in drei Jahren ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen. Ob es dazu kommt ist derzeit nicht absehbar. Spätestens in drei Jahren wird man somit wissen, ob die EU-Position richtig war, auf dem gemeinsamen Staat zu beharren anstatt einer zivilen Scheidung der ungleichen Partner den Vorzug zu geben.
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