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Montenegro wählt

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„Diebe“, „Kriminelle“, „Feiglinge“, Schakale“, „Verräter“ – hart, dafür aber nicht herzlich war die Kampagne für die vorgezogene Parlamentswahl am Sonntag in Montenegro, der kleineren jugoslawischen Teilrepubliken. Die rauhen Töne entsprechen dem eher mediteranen Temperament der Montenegriner, zeigen aber auch, daß der Einsatz hoch ist. Die Regierung bildet derzeit eine Koalition, die aus der Partei von Präsident Milo Djukanovic und den Sozialdemokraten besteht und von zwei albanischen Abgeordneten unterstützt wird. Sie verfügt über 38 der insgesamt 77 Parlamentssitze und amtiert rekordverdächtig seit April als Minderheitsregierung. Denn die Liberalen mit ihren sechs Mandaten entzog der Regierung ihre Unterstützung, nachdem diese in Belgrad Mitte März unter Druck der EU einen Kompro-miß mit Serbien schloß und für drei Jahre auf die Unabhängig verzichtete. Die Liberalen, deren Hoffnung auf Unabhängigkeit auch an der eignenen Unberechenbarkeit gescheitert waren, schlossen in echt balkanischer Manier ein Bündnis mit dem Pro-Serbischen Block, der im Parlament über 33 Sitze verfügt. Diese hauch-dünne Mehrheit von einem Mandat genügte, um Djukanovics bis dahin unantastbare Partei in den staatlichen Medien zu schwächen und ein neues Wahlgesetz zu beschließen. Die Zahl der Sitze der albanischen Minderheit wurde von fünf auf vier und die Gesamtzahl der Abgeordneten von 77 auf 76 reduziert. Die Albaner sind traditionelle Verbündete Djukanovics, benötigen für ihre Mandate weniger Stimmen, und könnten so Djukanovic zu einer absoluten Mehrheit verhelfen, wenn sein Bündnis 34 Sitze gewinnt. Djukanovic führte in seiner Kampagne die Einigung mit Serbien ins Treffen, die die von ihm angestrebte Unabhängigkeit nur verschoben habe. Djukanovic will Landwirtschaft, Tourismus und Schiffahrt entwickeln sowie die sozialen Probleme lösen, um Montenegro von westlicher Finanzhilfe unabhängig und reif für die Unabhängigkeit zu machen. Liberale und Pro-serbischer Block führten vor allem die schwierige soziale und wirtschaftliche Lage ins Treffen und warfen dem Präsidenten vor, in den Zigarettenschmuggel verwickelt zu sein. An-geblich muß jeder Zehnte der 660.000 Montenegriner mit 120 Euro im Monat auskommen, wobei die Armut durch Schattenwirtschaft, Schmuggel und schlechte Steuermoral gemindert wird. Welcher Machtblock in Montenegro obsiegen wird, ist kaum vorhersagbar. 10 Listen werben um die 455.000 Wähler, eine Wählerschaft, die nicht nur klein, sondern auch zersplit-tert ist, so daß das Ergebnis von Splitterparteien entscheidend für die Mehrheitsverhältnisse sein kann.
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