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Der EU-Gipfel und der Balkan

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Berichte Montenegro
Beim EU-Gipfel in Brüssel ist heute auch der Beitrittsvertrag mit Kroatien feierlich unterzeichnet worden. Erfolgen soll der Beitritt dann im Sommer 2013. Nach diesem dann 28. Mitglied wird es wohl einige Jahre bis zur nächsten Erweiterungsrunde dauern, doch der Grundstein dazu sollen ebenfalls heute gelegt werden. Das betrifft vor allem Montenegro und Serbien, doch in beiden Fällen herrscht noch keine Einigkeit in der EU, wie weiter vorgegangen wird. Über beide Staaten wird derzeit beim Gipfel verhandelt. Bei Montenegro geht es um eine Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen, im Falle Serbiens um den Status eines Beitrittskandidaten: Über die Lage und die Chancen dieser beiden Länder aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Im Sommer 2006 erklärte Montenegro seine Unabhängigkeit von Serbien. Allen damaligen Unkenrufen zum Trotz hat sich das nur 600.000 Einwohner zählende Land recht gut entwickelt. Obwohl das Tourismusland von der Wirtschaftskrise sehr getroffen wurde, hat Montenegro auf dem Weg Richtung NATO und EU klare Fortschritte gemacht. Das betrifft die Verwaltungsreform, Minderheiterechte, die Medienfreiheit und den Kampf für Rechtsstaat und gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Leiter der EU-Delegation in Montenegro ist der Österreicher Leopold Maurer. Im Falle von Beitrittsverhandlungen sieht Maurer auch Probleme bei der Verwaltung, die qualitativ und quantitativ erst dazu befähigt werden müsse, den EU-Rechtsbestand zu administrieren. Als Beispiel nennt Leopold Maurer das Kapitel Landwirtschaft:

"Obwohl Montenegro nur eine sehr kleine Landwirtschaft hat, muss es natürlich alle Erfordernisse hier erfüllen, und dazu braucht man einen ganzen Apparat, der gut funktioniert, auch wenn es von den Verhandlungen her, als von den Mengen her, die hier produziert werden, keine Probleme geben wird."

Trotzdem soll Montenegro nach dem Willen der EU als Anreiz für die anderen Balkan-Länder dienen; daher wird der Gipfel heute beschließen, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, wobei das genaue Datum erst im Juni fixiert werden soll. Doch die technischen Vorbereitungen dafür kann die EU-Kommission bereits beginnen, und es ist durchaus möglich, dass dann auch noch im Juni die EU den offiziellen Beginn der Verhandlungen erklärt. Dagegen hat sich für Serbien die Krise im Nord-Kosovo als Stolperstein erwiesen. Extremistische Serben verletzten im November durch Schüssel und Sprengfallen deutsche und österreichische Soldaten der Friedenstruppe KFOR und zwei Grenzübergänge zu Serbien sind weiter durch Barrikaden blockiert. Daher war Deutschland ganz klar dagegen, dass Serbien jetzt den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhält. Im Entwurf der Gipfel-Erklärung heißt es daher, dass der EU-Ministerrat im März noch ein Mal die Frage prüfen wird. Abhängig gemacht wird der Kandidatenstatus von einer umfassenden Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien. Staatspräsident Boris Tadic warnte vor einer Rückkehr des Nationalismus, sollte sich der Weg Richtung EU weiter verzögern; doch es geht auch um die Macht in Serbien. Ohne Kandidatenstatus hätten Tadic und seine Partei DS im April bei der Parlamentswahl kaum etwas vorzuweisen, erläutert in Belgrad der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic:

„Von Europa kann man nichts Spürbares für den einfachen Bürger erwarten; Das Europa-Thema kann daher niemanden an die Macht bringen, doch wenn aus Europa eine negative Botschaft kommt, dann kann das die aktuelle Regierung zu Fall bringen. Wenn der Status eines EU-Beitrittskandidaten gewährt wird, kann das der DS keinen bedeutenden Vorteil bringen; doch wenn der Status nicht gewährt wird, würde das zu einem spürbaren Fall der Popularität der DS führen. Das wäre dann ein großes Problem für die regierenden Mehrheit.“

Daher steht hinter den Spannungen im Kosovo auch Parteipolitik. Die vier serbischen Gemeinden im Norden sind mehrheitlich in der Hand der nationalistischen Opposition, die der DS und Tadic keinen Erfolg gönnen wollen. Doch Tadic selbst hat immer wieder mit dem Nationalismus kokettiert, und diese Schaukelpolitik zwischen Kosovo und EU könnte ihm und seiner Partei DS eben nun auf den Kopf fallen, wenn es bis März nicht gelingt, die Lage im Norden in den Griff und den Kandidatenstatus zu bekommen.

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