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Montenegro seit einem Jahr unabhängig

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Berichte Montenegro
Vor einem Jahr hat die Mehrheit der 620.000 Montenegro bei einem Referendum für die Loslösung ihres Landes von Serbien gestimmt. Waren die Folgen der Unabhängigkeit des kleinen Küstenstaates an der Adria damals umstritten, so sind die befürchteten massiven Spannungen zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und pro-serbischen Kräften bisher nicht eingetreten. Beschleunigt hat sich jedoch die Annäherung an NATO und EU. Im Gegensatz zu Serbien konnte Montenegro mit der EU das Abkommen über Stabilisierung und Assoziation im April bereits paraphiert. Der Tourismus entwickelt sich gut, aber auch die Präsenz der Russen ist stark gestiegen. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat Montenegro besucht und folgenden Beitrag über den jüngsten Staat im ehemaligen Jugoslawien gestaltet:

Über den Einfluss der Russen wird in Montenegro schon seit Jahren gestritten. An der Küste wurde ihr Zustrom seit der Unabhängigkeit noch stärker; gekauft werden Grundstücke und Wohnungen. Jüngst soll ein Russe 11.000 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung bezahlt haben. Besonders begehrt ist die 17.000 Einwohner zählende Küstenstadt Budva. Dort leben die meisten der angeblich 5.000 Montenegriner, die durch Verkäufe Euro-Millionäre wurden, während der Durchschnittslohn etwa 300 Euro im Monat beträgt. Doch nicht nur Russen kommen als Touristen betont Aleksandar Ticic von der Gemeinde Budva:

„Im Vergleich zu 2005 hatten wir im Vorjahr um 45 Prozent mehr Ausländer und insgesamt um 16 Prozent mehr Touristen als 2005; in ganz Montenegro waren es um 10 Prozent mehr Ausländer und Touristen. Prozentuell gesehen, liegen wir somit an der Weltspitze, was das Wachstum betrifft.“

Budva investiert massiv in die Infrastruktur; so wird eine Meerwasserentsalzungsanlage gebaut, um die Wasserversorgung in den Griff zu bekommen. Noch nicht gelöst sind jedoch Stromengpässe; Montenegro muss Strom importieren, und die Trockenheit bereitet zusätzlich Probleme. Spürbar besser werden die Hotels; doch Kellner verdienen nur etwa 200 Euro im Monat. Der wachsende Strom an Touristen und Russen treibt die Preise in die Höhe. Oft können sich daher Familien für ihre Kinder keine Wohnungen mehr leisten. Das kritisiert die Opposition, der die Russen generell ein Dorn im Auge sind:

„Russen kontrollieren die Schlüsselressourcen; dazu zählen das Aluminiumwerk und die Bauxit-Mine; das sind etwa 50 Prozent der montenegrinischen Wirtschaft und 70 Prozent der Exporte. Selbstverständlich führen sie diese Betriebe auf russische Weise; sie verschleiern den Gewinn und transferieren den Profit über frisierte Bilanzen ins Ausland.“

Sagt Nebojsa Medojevic von der bürgerlichen Oppositionspartei Allianz für den Wandel. Diese Darstellung ist nicht unumstritten. So verweist Petar Ivanovic von der staatlichen Investmentagentur darauf, dass viele Firmen aus der EU und den USA ins Land kommen:

„Mehr als 3100 ausländische Firmen sind schon in Montenegro registriert; das ist ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Geändert hat sich auch das Interesse. Vor einem Jahr war das hauptsächlich der Tourismus; jetzt interessieren sich Ausländer auch für Industrie, Telekommunikation oder Dienstleistungen, ja sogar für das Bankwesen.“

Durch niedrige Steuern und den Abbau von Bürokratie versucht Montenegro dieses Interesse weiter zu verstärken. Verwiesen wird auf den Euro als Währung und positive wirtschaftliche Eckdaten. Doch Verwaltung und Gerichte arbeiten langsam und die Korruption ist auch ein Problem in Montenegro, das alles in allem trotzdem mit dem zufrieden sein kann, was im ersten Jahr der Unabhängigkeit erreicht worden ist.

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