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Montenegro auf dem Weg zum Referendum

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Berichte Montenegro
Vor 15 Jahren hat mit der Abspaltung Sloweniens der blutige Zerfall des alten Jugoslawien begonnen. Von den ehemaligen Teilrepubliken entschied sich lediglich Montenegro bei Serbien zu bleiben, das damals von Slobodan Milosevic geführt wurde. Doch je mehr der Stern von Milosevic sank, desto stärker begann sich auch Montenegro von Serbien abzuwenden und 1998 kam es zum Bruch zwischen Milosevic und dem derzeit amtierenden montenegrinischen Regierungschef Milo Djukanovic. Djukanovic setzte auf Eigenständigkeit und führte etwa den Euro als Währung ein während in Serbien der Dinar gilt. Doch in der Frage der Loslösung von Serbien sind die Montenegriner gespalten und so erzwang die EU vor drei Jahren als Zwischenlösung den Staatenbund Serbien-Montenegro. Über dessen Schicksal werden die Montenegriner nun Ende Mai in einem Unabhängigkeitsreferendum entscheiden. Das hat das Parlament in Podgorica nach intensiver Vermittlung der EU nunmehr beschlossen. Über die Ausgangslage vor dem Referendum berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Mit dem Beschluss des Referendums ist in Montenegro ein langer Konflikt zwischen pro-serbischen Parteien und Unabhängigkeitsbefürwortern zu ende gegangen. Umstritten war vor allem wie viele Stimmen nötig sind, damit das Ergebnis der Abstimmung anerkannt wird. Der von der EU erreichte Kompromiss sieht nun eine qualifizierte Mehrheit vor. So sind 55 Prozent der abgegebenen Stimmen erforderlich, damit es zur Loslösung von Serbien kommt. Damit wird vom demokratischen Prinzip abgewichen, wonach jede Stimme gleich viel wiegt, doch anders war ein Kompromiss nicht zu erreichen. Denn nun haben auch die pro-serbischen Kräfte eine Chance, wie die Zahl der Stimmberechtigten zeigt. In Montenegro gibt es 460.000 Wähler; zu erwarten ist eine Beteiligung von etwa 80 Prozent, das macht 370.000 Stimmen. Bei einer 55-Prozent-Quote benötigen die Unabhängigkeitsbefürworter um Ministerpräsident Milo Djukanovic somit etwas mehr als 200.000 Stimmen. Doch bisher hat dieser Block bei Wahlen nur etwa 180.000 Stimmen erreicht. Um diese fehlenden 20.000 Stimmen wird nun gekämpft. Gewinnen kann Djukanovic nur, wenn seine Anhänger möglichst geschlossen abstimmen, und wenn die nationalen Minderheiten für die Unabhängigkeit sind. Dabei sind die Albaner eine sichere Bank, nicht aber die Bosnjaken. Ihr Siedlungsgebiet, der Sandjak, würde im Falle der Loslösung geteilt. Daher betont Djukanovic stets, dass die Unabhängigkeit zu keinen neuen, spürbaren Grenzen führen soll. Ein weiteres Argument ist die EU. Behauptet wird, dass der Beitritt ohne Serbien schneller zu erreichen sei. Das bestreitet Brüssel, könnte aber nun selbst ein Argument dafür liefern Denn die EU droht, Verhandlungen über eine Annäherung auszusetzen, sollte Serbien Ratko Mladic nicht bis Ende März an das Haager Tribunal ausliefern. Bis zum Referendum kann somit noch viel passieren; zahlreich sind aber auch die offenen Fragen für den Tag danach. Einigermaßen klar ist die Lage nur, wenn es zu Unabhängigkeit kommt. Dann werden Serbien und Montenegro über eine zivile Scheidung verhandeln. Verlieren die Indpendisten klar, bleibt es beim Staatenbund; er ist jedoch derart kompetenzarm, dass durch ihn Beitrittsverhandlungen mit der EU nur nach umfassenden Reformen geführt werden können. Das schlimmste denkbare Szenario ist, dass zwar mehr als 50 Prozent der Stimmen auf die Unabhängigkeit entfallen, die 55-Prozent-Quote jedoch knapp verfehlt wird. Für diesen Fall ist es fraglich, ob die Unabhängigkeitsbefürworter ihre Niederlage hinnehmen. Sie könnten den Staatenbund lahm legen, und das politische Klima in Montenegro dürfte sich verschärfen. Agonie und Spannungen könnten bis zur Parlamentswahl im Herbst dauern; davon betroffen wäre auch Serbien, das zusätzlich noch die Kosovo-Verhandlungen zu bewältigen hat.

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