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Montenegros neue Regierung

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Zu den Erblasten der Ära Milosevic zählt in Jugoslawien auch das weitgehend zerrüttete Verhältnis zwischen Montenegro und Serbien. Der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic sagte sich vor drei Jahren von Milosevic los, orientierte sich am Westen und setzte zunehmend auf Eigenständigkeit. Diesen Kurs setzten Djukanovic und die Befürworter einer Unabhängigkeit Montenegros auch nach dem Machtwechsel fort. Doch Montenegro, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges als unabhängiger Staat bestand, ist in dieser Frage gespalten. Das bestätigten auch die Parlamentswahlen Ende April. Seit gestern hat Montenegro nun eine neue Regierung; über deren Zusammensetzung und Ziele berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Die neue Regierung in Montenegro ist ein Minderheitskabinett. Gebildet wird es von der Wahlkoalition „ Der Sieg ist Monte-negros“ unter Präsident Milo Djukanovic. Diese Zwei-Parteien-Allianz verfügt im Parlament über 36 der 77 Sitze. Die Ver-trauensabstimmung gewann die Regierung mit Unterstützung der Liberalen Union, die 6 Abgeordnete zählt. Diese beiden Grup-pierungen treten für die Loslösung Montenegros von Serbien und damit für ein Ende Jugoslawiens ein. In ihrem Programm hat die neue Regierung angekündigt, bis zum Jänner ein Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt will Ministerpräsident Philip Vujanovic Gespräche auf drei Ebenen führen:

„Wir werden einen Dialog mit der Opposition in Montenegro führen, um die Stabilität zu erhalten. Mit der serbischen Regierung werden wir über neue stabile Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro und schließlich werden wir auch den Dialog mit der internationalen Gemeinschaft fortsetzen.“

Für die Unabhängigkeitsbefürworter besonders wichtig sind zunächst die Gespräche mit der pro-serbischen Opposition in Montenegro selbst. Denn nur eine relativ knappe Mehrheit der Bevölkerung ist für die Unabhängigkeit. Ziel der Verhandlungen ist es daher, mit der Opposition einen Kompromiß über die Be-dingungen für das Referendum zu finden, um die Spaltung in der montenegrinischen Gesellschaft nicht zu vertiefen. Überzeugt werden müssen auch EU und USA, die der Unabhängigkeit weiter sehr skeptisch gegenüber stehen.

Auftrieb erhielten die Unabhängigkeitsbefürworter durch die Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal. Die jugoslawische Regierung zerbrach, denn der montenegrini-sche Koalitionspartner auf Bundesebene war strikt gegen die Auslieferung. Noch mehr geschwächt wurde der Gesamtstaat je-doch durch die serbische Regierung; sie berief sich auf einen Notstandsartikel der serbischen Verfassung, setzte sich über jugoslawisches Recht hinweg und vollzog die Auslieferung. Miodrag Vukovic, der Berater des montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic, sagt dazu:

„Es war ein historischen Ereignis, daß die serbische Regierung die Verfassung der eigenen Republik angewandt und sich von den sogenannten föderalen Institutionen abgewandt hat. Dabei kam es zum Konflikt zwischen serbischen Organen auf Bundesebene und auf Republiksebene. Warum soll man daher etwas fortsetzen und forcieren, das offensichtlich nur in eine Krise führt.“

Gemeint ist damit Jugoslawien, das Vukovic nur mehr als Farce ansieht. Die Milosevic-Auslieferung könnte so der letzte Sarg-nagel für Jugoslawien gewesen sein, selbst wenn es Präsident Vojislav Kostunica gelingen sollte, rasch eine neue Regierung zu bilden. Denn dieses Kabinett muß nicht nur mit dem Boykott des offiziellen Montenegro, sondern mit der Erkenntnis leben, daß auch Serbien bereit ist, die Bundesregierung zu mißachten, um seine eigenen Interessen zu wahren.

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