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In der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro finden am kommen-den Sonntag vorgezogene Parlamentswahlen statt. Bereits heute um Mitternacht tritt die sogenannte gesetzliche Schweigepflicht in Kraft, die Wahlkampfkund-gebungen zwei Tage vor dem Wahltag untersagt. Die wichtigsten Parteien und Wahlbündnisse haben daher schon in den vergangenen drei Tagen in der Haupt-stadt Podgorica ihre Abschlußveranstaltungen abgehalten. Zentrales Thema des Wahlkampfes war die Frage, ob Montenegro unabhängig werden oder bei Jugo-slawien bleiben soll. Die Frage trennt auch die beiden Hauptgegner in Monte-negro. Die Zwei-Parteienallianz „Der Sieg ist Montenegros“ von Präsident Milo Djukanovic ist für die Unabhängigkeit; das Bündnis von drei pro-serbischen Parteien mit dem Namen „Gemeinsam für Jugoslawien“ ist für den Verbleib im gemeinsamen Staat. Das Zünglein an der Waage könnte die kleine „Liberale Union“ spielen, die am klarsten für die Loslösung von Serbien eintritt. Über den Wahlkampf in Montenegro berichtet aus Podgorica Christian Wehrschütz:

Westliche Musik und traditionelle montenegrinische Sysmbole sind das Mar-kenzeichen der Wahlkampfveranstaltungen der Liberalen Union. Die zumeist jugendlichen Anhänger schwenken die Fahnen des Königreichs Montenegro, das am Ende des ersten Weltkriegs die Westmächte großserbischen Interessen opferte, durchaus auch mit Zustimmung der Hälfte der montenegrinischen Be-völkerung. Doch bei dieser Kundgebung der Liberalen in Podgorica sind Nach-kommen der anderen Hälfte vertreten: ................. „Hocemo Drsavu“, Wir wol-len unseren Staat“ rufen die Anhänger, die vor allem aus Podgorica und der alten Hauptstadt Cetinje stammen. Hauptgegner der Liberalen sind nicht die Be-fürworter Jugoslawiens, sondern Präsident Milo Djukanovic. Djukanovic werfen die Liberalen vor, mit Belgrad über ein Moratorium für die Unabhängigkeit Montenegros zu verhandeln. Der Vorsitzende der Liberalen Miodrag Zivkovic ruft daher den Wählern zu:

„Gebt ihnen keine absolute Macht, damit sie Euch auch nicht absolut betrügen können.“

Die Liberalen, deren Anhänger vorwiegend höhergebildete Montenegriner sind, wollen sich jedenfalls von Belgrad Lehrmeister nichts mehr sagen lassen. Trotz aller Rhetorik werden sie Djukanovic stützen, wenn er - wie angekündigt - die Unabhängigkeit Montenegros bis zum Sommer durchsetzen will.

Ganz andere Töne sind am selben Platz nur einen Tag später bei der Abschluß-kundgebung des Bündnisses „Gemeinsam für Jugoslawien“ zu hören. „Auf ihr Slawen“, die jugoslawische Hymne erklingt und natürlich werden jugoslawische und keine montenegrinischen Fahnen geschwenkt. Der Wunsch Jugoslawien zu erhalten, hat ehemalige politische Gegner zusammengeführt. Der einstige Koali-tionspartner von Präsident Djukanovic, die Volkspartei, tritt nun gemeinsam mit der SNP, der Sozialistischen Volkspartei, an, die bis zum bitteren Ende treu zu Slobodan Milosevic hielt. Spitzenkandidat der Allianz ist SNP-Vorsitzender Pedrag Bulatovic, dessen Partei mit der serbischen Allianz DOS die jugoslawi-sche Bundesregierung bildet. Bulatovics Hauptgegner ist Milo Djukanovic, dessen Ende er voraussagt und dessen Unabhängigkeitspläne er vereiteln will. Pedrag Bulativic in Podgorica:

„Im Namen des Lebens sagt ja zur SNP. Im Namen des gemeinsamen Lebens aller Bürger Montenegros, unabhängig von Religion oder Nation. Aber sagt Ja zum gemeinsamen Leben von Montenegro und Serbien in unserm Jugoslawien.“

Nach Umfragen hat Bulatovic jedoch weit schlechtere Karten als Milo Djuka-novic, dessen Bündnis „Der Sieg ist Montenegros“ gestern abend ebenfalls am Hauptplatz in Podgorica die Abschlußkundgebung vor Tausenden Anhängern abhielt. Djukanovic wirft dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica vor, die Politik von Slobodan Milosevic gegenüber Montenegro fortzusetzen und sich in den Wahlkampf einzumischen. Die Allianz „Gemeinsam für Jugo-slawien bezeichnet Djukanovic als Marionetten des großserbischen Totalitaris-mus. Djukanovic will Montenegro in die EU führen, ein Ziel das als unabhäng-giger Staat und ohne den serbischen Klotz am Bein leichter zu erreichen sei. Von seinem Sieg zeigt sich Djukanovic überzeugt:

„Ich bin sicher, daß bei diesen Wahlen jene politische Partei überwältigend siegen wird, die sich zur völligen Wiederherstellung der montenegrinischen Staatlichkeit und zur Sicherung unserer völkerrechtlich Subjektivität bekennt.“

Der Refrain des Liedes bei den Belangsendungen des Bündnisses „Der Sieg ist Montenegros“ lautet: „Hier ist unser Haus, hier ist unser Heim.“ Welchen Bau- plan, welchen Baumeister und welches Haus die Mehrheit der Montenegriner will, wird kommenden Sonntag gegen Mitternacht bekannt ein.

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