Interview mit Milo Djukanovic
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In der Ära von Slobodan Milosevic unterstützte der Westen die Loslösung Montenegros vom Belgrader Einfluß. Mit Milosevics Sturz änderten EU und USA ihre Haltung. Das Problem, vor dem Montenegro seither steht, beschreibt Präsident Milo Djukanovic so:
„Nach dem Abgang von Milosevic stand Monetenegro vor einem Dilemma. Entweder es entsagt allen Kompetenzen die es nun hat wie Geldpolitik, Zoll-, Außen- und Sicherheits-politik, kehrt zu Belgrad zurück und wird Teil eines Staates, oder Montenegro wird ein international anerkannter Staat, der all diese Kompetenzen hat.“
Auf Druck der EU verhandeln Montenegro und Serbien derzeit wieder über einen Ausweg aus der Staatskrise, wobei die EU für eine gleichberechtigte Föderation eintritt. Zu diesem Vor-schlag sagt Djukanovic:
„Die EU steht hinter eine Lösung die im Leben unmöglich ist. Eine Föderation zwischen Serbien und Montenegro ist unmöglich, denn Serbien ist je nach Berechnung zwischen 15 und 18 Mal größer als Montenegro. Föderation oder Gemeinschaft unabhängiger Staaten ist daher das falsche Dilemma. Das richtige lautet Zentralstaat oder Unabhängigkeit, die auch eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten sein kann. Für uns ist völlig klar was ein Zentralstaat bedeutet. Darin muß Montenegro nicht aus politischen sondern rein mathematischen Gründen seine nationale und kulturelle Identität verlieren.“
Den Verhandlungen räumt Djukanovic daher wenig Chancen ein. Er erwartet, daß es im Frühling zum bereits mehrmals verschobenen Referendum über die Unabhängigkeit kommen wird. Notfalls wäre Djukanovic nun bereit, dieses Referendum ohne Zustimmung der pro-serbischen Opposition abzuhalten; denn im Herbst stehen Präsidentenwahlen bevor und ohne greifbaren Erfolg muß Djukanovic um seine Wiederwahl bangen. Eine wichtige Rolle
soll beim Referendum der Euro spielen:
„Sogar jene Bürger Montenegros, die für die Bewahrung des gemeinsamen Staates mit Serbien sind, sind nicht für die Rückkehr zum Dinar. Denn viele dieser Leute haben bereits in den vergangenen Jahren von der Verwendung der DM als Zahlungsmittel in Montenegro profitiert.“
Ob diese Rechnung aufgeht ist offen, denn die Wirtschaftslage ist triste und viele Montenegriner haben zunehmend andere Sorgen als die Unabhängigkeit.