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Interview mit Milo Djukanovic

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Berichte Montenegro
Nicht nur in der EU auch in der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro läuft die Euro-Umstellung auf Hochtouren. 46 Millionen Euro sind bereits gewechselt worden, das ent-spricht etwa einem Viertel der Geldmenge. Die nach Unabhängigkeit von Serbien strebende Führung Montenegros betrachtet den Euro als weiteres Mittel zur Loslösung von Belgrad und zur Annäherung an Brüssel. Aus diesem Grund wurde vor zwei Jahren der Dinar durch die DM ersetzt, die nun in Euro umgetauscht wird. Doch Montenegro ist in der Frage der Unab-hängigkeit gespalten und auch Serbien und der Westen sind für den Fortbestand Jugosla-wiens. Der Euro könnte somit nur ein kurzes Gastspiel in Montenegro haben, wenn die Unab-hängigkeitsbefürworter das geplante Referendum verlieren. Für diesen Fall könnte Montenegro eine weitere Währungsumstellung bevorstehen, denn Belgrad beharrt auf dem Dinar als Einheitswährung. Mit dem montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz über Euro und Unabhängigkeit das folgende Gespräch geführt:

In der Ära von Slobodan Milosevic unterstützte der Westen die Loslösung Montenegros vom Belgrader Einfluß. Mit Milosevics Sturz änderten EU und USA ihre Haltung. Das Problem, vor dem Montenegro seither steht, beschreibt Präsident Milo Djukanovic so:

„Nach dem Abgang von Milosevic stand Monetenegro vor einem Dilemma. Entweder es entsagt allen Kompetenzen die es nun hat wie Geldpolitik, Zoll-, Außen- und Sicherheits-politik, kehrt zu Belgrad zurück und wird Teil eines Staates, oder Montenegro wird ein international anerkannter Staat, der all diese Kompetenzen hat.“

Auf Druck der EU verhandeln Montenegro und Serbien derzeit wieder über einen Ausweg aus der Staatskrise, wobei die EU für eine gleichberechtigte Föderation eintritt. Zu diesem Vor-schlag sagt Djukanovic:

„Die EU steht hinter eine Lösung die im Leben unmöglich ist. Eine Föderation zwischen Serbien und Montenegro ist unmöglich, denn Serbien ist je nach Berechnung zwischen 15 und 18 Mal größer als Montenegro. Föderation oder Gemeinschaft unabhängiger Staaten ist daher das falsche Dilemma. Das richtige lautet Zentralstaat oder Unabhängigkeit, die auch eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten sein kann. Für uns ist völlig klar was ein Zentralstaat bedeutet. Darin muß Montenegro nicht aus politischen sondern rein mathematischen Gründen seine nationale und kulturelle Identität verlieren.“

Den Verhandlungen räumt Djukanovic daher wenig Chancen ein. Er erwartet, daß es im Frühling zum bereits mehrmals verschobenen Referendum über die Unabhängigkeit kommen wird. Notfalls wäre Djukanovic nun bereit, dieses Referendum ohne Zustimmung der pro-serbischen Opposition abzuhalten; denn im Herbst stehen Präsidentenwahlen bevor und ohne greifbaren Erfolg muß Djukanovic um seine Wiederwahl bangen. Eine wichtige Rolle

soll beim Referendum der Euro spielen:

„Sogar jene Bürger Montenegros, die für die Bewahrung des gemeinsamen Staates mit Serbien sind, sind nicht für die Rückkehr zum Dinar. Denn viele dieser Leute haben bereits in den vergangenen Jahren von der Verwendung der DM als Zahlungsmittel in Montenegro profitiert.“

Ob diese Rechnung aufgeht ist offen, denn die Wirtschaftslage ist triste und viele Montenegriner haben zunehmend andere Sorgen als die Unabhängigkeit.
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