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Montenegro wählte Präsident

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Filip Vojanovic ist gestern zum neuen Präsidenten der früheren jugoslawischen Teilre-publik Montenegro gewählt worden. Vujanovic erhielt knapp 65 der abgegebenen Stimmen; seine zwei Gegenkandidaten kamen nur auf insgesamt 35 Prozent. Damit hat Montenegro, das gemeinsam mit Serbien einen Staatenbund bildet, im dritten Anlauf endlich einen Präsidenten bekommen. Die ersten beiden Wahlgänge im Jänner und Februar waren an zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert. Auch dieses Mal war die Beteiligung mit 48 niedrig, doch das Parlament hatte vor der Wahl im Wahlgesetz die Bestimmung gestrichen, wonach zur Gültigkeit die Teilnahme von mehr als der Hälfte alle Stimmberechtigten erforderlich ist. Über die Bedeutung der Wahl von Filip Vujanovic zum montenegrinischen Präsidenten berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Die Wahl von Filip Vujanovic bedeutet, dass nach mehr als fünf Monaten in Montenegro alle staatlichen Institutionen wieder voll handlungsfähig und demokratisch legitimiert sind. Damit wird zweifellos auch die politische Stabilität in diesem 660.000 Einwohner zählenden Land erhöht. Vujanovic wird auch keine Zeit der Einarbeitung brauchen, denn als Parlamentspräsident führte er auch in der Zeit des Interregnums die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Dieser hat in Montenegro nur wenig Kompetenzen, doch immerhin ist er im Verteidigungsrat des Staatenbundes Serbien und Montenegro vertreten, der für die Streitkräfte zuständig ist. Diesem Gremium gehören der Präsident des Bundes und die Präsidenten der zwei Teilstaaten an. Die Wahl von Vujanovic bedeutet aber auch eine weitere Stärkung für Montenegros Ministerpräsident Milo Djukanovic. Vujanovic ist Djukanovics Stellvertreter in der Partei DPS. Diese verfügt gemeinsam mit ihrem sozialdemokratischen Koalitionspartner in Montenegro über eine absolute Mehr-heit im Parlament. Hinzu kommt dass die Opposition gespalten und geschwächt ist. Denn mit der Umwandlung Jugoslawiens in den Staatenbund Serbien und Montenegro hat die pro-serbische Opposition ihre Machtbasis in Belgrad verloren. Die Regierung des Bundes besteht nun aus Gefolgsleuten Djukanovics und der serbischen Reformkoalition DOS. Sie hat jüngst auch Rückberufung und Ersetzung von 16 Botschaftern beschlossen, die den pro-serbischen Parteien in Montenegro angehörten. Trotzdem steht die neue Bundesre-gierung vor beträchtlichen Problemen. Die bürokratische Umwandlung Jugoslawiens verläuft schleppend und Serbien ist nicht mehr bereit, den kleineren Bruder Montenegro mit zu finanzieren. Fast 700 der mehr als 3500 Bundesbeamten bekamen im April kein Gehalt, weil Montenegro seinen Teil der Finanzierung des Staatenbundes noch nicht ge-leistet hat und Serbien nicht mehr zahlen will. Auch die Harmonisierung der Volkswirt-schaften der ungleichen Partner ist sehr schwierig, ist aber auf dem Weg Richtung EU erforderlich. Vor allem die Angleichung der Zölle verläuft schleppend, denn die Volks-wirtschaften Serbiens und Montenegros sind sehr unterschiedlich und der Staatenbund kam überhaupt nur auf Druck der EU zustande. In dem Zusammenhang könnte auch die Wahl von Filip Vujanovic zum Präsidenten Montenegros mittelfristig bedeutsam werden. Scheitern Harmonisierung und Zwangsehe, so kann Montenegro nach drei Jahren ein Re-ferendum über die endgültige Loslösung von Serbien abhalten. Zuständig für die Aus-schreibung ist der Präsident. Vujanovic hat bereits angekündigt, dass er auf jeden Fall eine Abstimmung über den künftigen Status von Montenegro abhalten will. Deren Ausgang ist derzeit nicht vorhersehbar; er wird aber davon abhängen, ob Montenegro durch einschneidende Reformen die schwierige soziale und wirtschaftliche Lage verbessern und damit seine Lebensfähigkeit beweisen kann.
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