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Rund um Montenegro und die Wahl

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In der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro ist gestern die Präsidentenwahl an zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert. Nur knapp mehr als 45 Prozent der 460.000 Stimmberechtigten wählten. Für die Gültigkeit der Wahl waren jedoch 50 Prozent und eine Stimme erforderlich. Das bedeutet, daß ebenso wie in Serbien nun auch in Montenegro die Wahl wiederholt werden muß, obwohl der Kandidat der stärksten Partei DPS, Filip Vujanovic 84 Prozent der abgegeben Stimmen erreicht. Seine 10 Gegenkandidaten waren Vertreter von Phantomparteien und von vornherein chancenlos. Geplant ist die Wahlwiederholung für den 12. Jänner. Über die Gründe für das Scheitern der Wahl und über die Lage in Montenegro berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Wahl in Montenegro scheiterte vor allem am Boykott der Opposition. Sie hatten keinen Politiker, der den Kandidaten der stärksten Partei DPS, Filip Vujanovic, hätte schlagen können. Vujanovic siegte auch klar, scheiterte aber an der Beteiligung. Bis zur Wahlwieder-holung wird Vujanovic sein derzeitiges Amt als Parlamentspräsident weiter ausüben. Gleich-zeitig bleibt Vujanovic aber auch geschäftsführender Präsident Denn sein Parteifreund, der bisherige Präsident Milo Djukanovic, legte nach dem Sieg seiner Partei DPS bei der Parla-mentswahl Ende Oktober sein Amt nieder, um Regierungschef zu werden. Gewählt ist Djukanovic noch nicht, weil die Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten nicht abgeschlossen sind. Somit verfügt Montenegro derzeit weder über einen handlungsfähigen Regierungschef noch über einen handlungsfähigen Präsidenten.

Die mit diesem Zustand verbundene politische Instabilität hatten sich seit einiger Zeit abge-zeichnet, war in den vergangenen Tagen in Montenegro aber von zweitrangiger Bedeutung. Weit mehr befaßten sich die Medien mit dem Schicksal einer jungen Frau aus der ehemaligen Sowjetrepublik Moldawien. Die Frau kam vor drei Jahren als Zwangsprostituierte nach Montenegro. Vor wenigen Wochen gelang ihr die Flucht in ein Frauenhaus. Der Polizei gegenüber gab sie an, Klienten aus höchsten Kreisen zugeführt worden zu sein. Die Aussage führte zur Verhaftung des stellvertretenden Oberstaatsanwalts Zoran Piperovic, der in den Menschenhandel verwickelt sein soll. Die Affäre zeigt nicht nur die fragwürdigen Standards der Justiz, sondern bekräftigte wieder ein Mal das Image Montenegros als Schmugglerrepu-blik. Milo Djukanovic wird vorgeworfen, in den 90iger Jahren massiv in den Zigaretten-schmuggel der italienischen Mafia verwickelt gewesen zu sein. Djukanovic bestreitet das, hat sich immer wieder zum Kampf gegen die Organisierte Kriminalität bekannt und auch im Falle der Moldawierin völlige Aufklärung versprochen. Bei der Bildung der Regierung will Djuka-novic jedoch den amtierenden Innenminister nicht mehr berücksichtigen. Djukanovic kritisiert, daß der Innenminister den stellvertretenden Oberstaatsanwalt festnehmen ließ, ohne dessen Vorgesetzen und die Regierung zu informieren. Neuer Innenminister soll der Chef der Geheimpolizei werden. Dieser Plan scheiterte bisher am Widerstand von Djukanovics sozialdemokratischem Koalitionspartner und an öffentlichen Protesten. Dadurch verzögerten sich die Verhandlungen, so daß Montenegro noch keine neue Regierung hat. Deren Hauptauf-gaben sind die Verbesserung der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie der Umbau Jugoslawiens zum Staat Serbien und Montenegro. Nachdem Djukanovic mit den Sozialdemokraten die absolute Mehrheit im Parlament gewann, hofften viele auf stabilere und bessere Zeiten. Gehofft wurde, Djukanovic werde in sein Kabinett unverbrauchte Personen aufnehmen und den auf drei Jahre befristeten Verzicht der Loslösung von Serbien nutzen, um Montenegro wirtschaftlich reif für die Unabhängigkeit machen. Diese Erwartungen hat Djukanovic bisher enttäuscht. Hinzu kommt, daß die ebenfalls nicht gerade demokratisch zu nennende proserbische Opposition massiv geschwächt ist, und viele Medien von Djukanovic kontrolliert werden oder ihm nahestehen. Somit könnte Montenegro nach Regierungsbildung und nach erfolgreichen Präsidentenwahl noch stärker in Klan- und Vetternwirtschaft versinken, als das bereits der Fall ist.

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