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Schulbücher in Montenegro

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In Montenegro ist 1852 die erste Schule gegründet worden. Doch praktisch erst 150 Jahre später, im Herbst 2003, werden an den Schulen zum ersten Mal Geschichts-bücher verwendet, die in Montenegro selbst verfasst worden sind. Dieser Umstand hat weit weniger damit zu tun, dass die intellektuelle Elite unter den 660.000 Montene-grinern nur sehr klein war; vielmehr ist das Fehlen eigener Geschichtsbücher Aus-druck der jahrzehntelangen Fremdbestimmung durch Serbien sowie ein Zeichen für die nur schwach entwickelte nationale Identität. Die neuen Geschichtsbücher in Montenegro hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gelesen, mit den alten verglichen und folgenden Bericht gestaltet:

Die Geschichtsbücher für Grundschule und Gymnasium hat ein Team von 100 Ex-perten aus Montenegro verfasst, wobei Fachleute aus Deutschland, Slowenien und Großbritannien als Berater zugezogen wurden. Das Ergebnis kann sich didaktisch wie inhaltlich sehen lassen. Die Lehrbücher sind ansprechend gestaltet, Bilder und Karten lockern die Texte auf. Zum ersten Mal sind wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklungen in breiterem Umfang enthalten. Außerdem haben die Autoren neue Schwerpunkte gesetzt. Weltgeschichte umfasst nun 50 Prozent des Lehrstoffs, auf die Geschichte des Balkan entfallen 20 und auf die Geschichte Montenegros 30 Prozent. Bisher umfasste die Nationalgeschichte nur bis zu sieben Prozent, kamen doch die Bücher aus Serbien und auch die eigene montenegrinische Identität war sehr schwach. Die Aufwertung der Nationalgeschichte führte auch dazu, dass erstmals genauer auf die eigene Staatlichkeit und die Gründe für deren Verlust am Ende des ersten Weltkrieges eingegangen wird. Klar erkennbar ist der Versuch einer Entideologisierung der Lehr-bücher. Die Verherrlichung Titos und der Rolle seiner kommunistischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg ist einer objektiveren Geschichtsschreibung gewichen. Zwar haben Verbrechen nach wie vor praktisch nur Besatzer und Tschetniks begangen, doch wird erstsmals aufgezeigt, dass der Zweite Weltkrieg im ehemaligen Jugoslawien sehr starke Züge eines Bürgerkrieges trug. Hinzu kommt, dass die Darstellung der Tschetniks sowie der montenegrinischen Unabhängigkeitsbewegung insgesamt viel objektiver ist als bisher. Mit Vorsicht zu genießen sind jedoch Zahlenangaben. So wird die Zahl der Toten in Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg mit 1,7 Millionen aber auch mit 1,3 Millionen angegeben. Enorme Abweichungen bestehen bei den Zahlen für das KZ Jasenovac in Kroatien. Serbische Lehrbücher sprechen von 700.000 Toten; das montenegrinische Geschichtsbuch spricht wörtlich von der Manipulation mit Opferzahlen bei Konflikten zwischen Serbien und Kroatien. Genannt werden 80.000 Tote; diese Zahl haben die montenegrinischen Autoren aus einem kroatischen Lehrbuch übernommen.

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