20240423 MiJ Verfassungskrise in Kroatien nach der Wahl Wehrschütz Mod
In Kroatien zählt das Parlament 151 Sitze. Ein Politiker muss daher dem Staatspräsidenten 76 Unterschriften von Abgeordneten vorlegen, um den Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten. Diese Möglichkeit soll nach Rechtsmeinung der Mehrheit des Verfassungsgerichtshofes für Zoran Milanovic unter keinen Umständen gelten. Diese Meinung kritisiert der Professor für Öffentliches Recht, Vedran Djulabic, in Zagreb scharf:
9'59'3 - Rechtsunwirksam Mandatar - 10'19'0 (20)
"Der Verfassungsgerichtshof sagte, wenn man Milanovic das Mandat anvertraut, selbst wenn er als Präsident zurückgetreten ist, so könnten wir diesen Beschluss der Erteilung des Auftrags zur Regierungsbildung für nichtig erklären. Für mich ist das skandalös!"
Denn der Verfassungsgerichtshof begründet seine Rechtsmeinung damit, dass Milanovic sich während des Wahlkampfes parteipolitisch engagiert habe, und daher auch nach der Wahl nicht zum Regierungschef designiert werden könne. Doch Milanovic stand auf keiner Liste und trat auch nicht bei Kundgebungen auf. Die Rechtsmeinung des Gerichts ist somit formell und inhaltlich höchst umstritten, und wurde nur mehrheitlich gefällt. Drei der 13 Richter formulierten eine abweichende Rechtsmeinung, die Vedran Djulabic für schlüssig hält:
7'23'5 - Drei mit abweichender Meinung - 8'10'7 (40)
"Meiner Ansicht nach sind die Argumente der drei abweichenden Richter verfassungsrechtlich stärker. Denn man kann einem Präsidenten, wenn er zurückgetreten ist, nicht verbieten, dass er designierter Regierungschef wird, bzw. dass er als Präsident die Absicht erklärt, nach seinem Rücktritt Regierungschef zu werden. Meiner Ansicht nach hat der Verfassungsgerichtshof hier seine Kompetenzen überschritten und die politische Arena betreten; denn auf diese Weise schickte er eine Botschaft an die kleinen Parteien, sich genau zu überlegen, wen sie designieren, weil dieser Beschluss für nichtig erklärt werden könnte."
Vertieft werden die politischen Gegensätze in Kroatien noch durch den Umstand, dass der Präsident des Verfassungsgerichtshofes und einige Richter ein politisches Naheverhältnis zur konservativen Regierungspartei HDZ haben sollen. Die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofes hat somit massiv gelitten, wobei derzeit unklar ist, wie es politisch und juristisch weitergeht, sollte die Opposition tatsächlich eine Mehrheit im Parlament zustande bringen, ein Fall der derzeit noch nicht absehbar ist. Denn ein Rechtsmittel gegen die Rechtsmeinung des Gerichts gibt es nicht.
Instrument der der HDZ
8'39'5 - Kompetenzüberschreitung - 9'19'8 (40)
"Der Verfassungsgerichtshof hat seinen Beschluss nicht in der Form gefasst, die er beachten hätte müssen. Und wir wissen, dass im Recht die Einhaltung der Form sehr wichtig ist, um Beschlüsse zu legitimieren. Somit hat der Gerichtshof seine Sonderstellung genutzt, weil es gehen seine Beschlüsse kein Rechtsmittel gibt außer vielleicht den Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo man dann in fünf Jahren ein Urteil bekommt. Daher gibt es derzeit selbst gegen diese Meinung kein Rechtsmittel, das man dagegen ergreifen könnte., und das scheint mir für die Herrschaft des Rechts sehr gefährlich zu sein."