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25 Jahre Militäroperation Sturm

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Kleine Zeitung
Berichte Kroatien

Im Frühsommer und Sommer des Jahres 1995 verschärfte sich die Lage auf den Hauptkriegsschauplätzen im ehemaligen Jugoslawien massiv; dieser Umstand zwang den Westen, seine mehrjährige schwankende Haltung zu beenden. Damit erhielt die kroatische Armee die Möglichkeit, auf dem Schlachtfeld Tatsachen zu schaffen. Der erste Schritt war im Mai die Militäroperation „Blitz“, durch die ein serbisch kontrollierter Teil von West-Slawonien zurückgewonnen wurde. Trotzdem beharrten die kroatischen Serben weiter auf einem Anschluss ihre sogenannten „Republika Srpska Krajna“ mit der „Hauptstadt“ Knin an Serbien. Der internationale Plan „Z4“ wurde abgelehnt; er sah eine weitreichende Autonomie im kroatischen Staat vor. Andererseits kam es in Ostbosnien im Juli 1995 zum Massaker von Srebrenica, dem bis zu 8.000 Bosniaken zum Opfer fielen. Außerdem hatten die bosnischen Serben mit einer Offensive gegen die Stadt Bihac begonnen; deren Verteidiger drängten Kroatien so rasch wie möglich mit der Operation „Sturm“ zu beginnen, um die Stadt zu entlasten.

Diese Operation begann in der Früh des 4. August und endete nach vier Tagen mit der völligen Niederlage der serbischen Verbände. „Sturm“ führte zur weitegehenden Rückeroberung der von Serben gehaltenen Gebiete (ein Drittel des kroatischen Territoriums), ermöglichte die Rückkehr vertriebener Kroaten, leitete auch die Kriegswende in Bosnien ein und schuf die Basis für die Friedensschlüsse für beide Staaten. Die traurige Begleiterscheinung des Sieges waren Vertreibung und Flucht von 200.000 Serben aus Kroatien sowie Kriegsverbrechen, die während und nach der Militäraktion begangen wurden. Dazu zählten Morde, Plünderungen und Brandschatzung, um eine spätere Rückkehr der Serben unmöglich zu machen. Deswegen musste sich unter anderem der Leiter der Militäroperation, General Ante Gotovina, vor dem Haager Tribunal verantworten. Ende 2012 wurde er in zweiter Instanz freigesprochen.

In Kroatien ist der 5. August ein Nationalfeiertag, wobei die zentralen Feierlichkeiten in Knin stattfinden. Dabei wurden vorgestern sehr versöhnliche Töne angeschlagen. So bedauerte Ministerpräsident Andrej Plenkovic ausdrücklich auch die zivilen Opfer unter den Serben. Kroatien wolle eine neue Botschaft in den Beziehungen zur serbischen Minderheit aber auch gegenüber Serbien aussenden, sagte Plenkovic. Zur Aussöhnung und zur Rückkehr der Serben rief auch der Erzbischof von Split, Marin Barisic, auf. Mit dem stellvertretenden Regierungschef Boris Milosevic nahm zu ersten Mal ein Spitzenvertreter kroatischen Serben an den Feiern teil.

Schon seit 10 Jahren präsent ist der stellvertretende serbische Bürgermeister, Zeljko Djepina. Er selbst kehrte mit seiner Familie 1999 nach Knin zurück. Die Botschaften der Regierungsspitze bewertet der 60-jährige positiv, noch besser beurteilt er das gemeinsame Leben in Knin. Es gebe nicht nur keine Konflikte zwischen beiden Völkern, sondern es werde gemeinsam gefeiert und auch Ehen zwischen Serben und Kroaten würden problemlos geschlossen. Die Lage in Knin sei so, „dass wir glücklich sein müssen“, betont Zeljko Djepina. Trotzdem zeigen natürlich auch in Knin die Zahlen, wie groß der Aderlass der serbischen Volksgruppe war. Vor dem Krieg zählte die Gemeinde Knin 45.000 Einwohner, 92 Prozent waren Serben. Nach der Rückeroberung wurde das Gemeindegebiet geteilt, wohl auch um sicherzustellen, dass es nirgends eine serbische Mehrheit mehr gibt. Nun zählen Knin und seine ehemaligen Gemeinden 15.400 Bürger, darunter 6.500 Serben. Die Stadt selbst hat 10.600 Einwohner, darunter 3.600 Serben; das sind etwa 23 Prozent; mehr als 70 Prozent sind Pensionisten.

Noch größer war der Aderlass der Serben in ganz Kroatien; ihr Anteil an der Bevölkerung sank von 12 Prozent vor dem Krieg auf etwas mehr als 4 Prozent im Jahre 2011, dem Jahr der letzten Volkszählung. In den Jahren nach dem Krieg war Kroatien bestrebt, durch diskriminierende Gesetze die Rückkehr Serben zu verhindern. Deutlich änderte sich die Lage nach 1999. Nach Angaben des UNHCR sind knapp 133.000 Serben zurückgekehrt, wurden fast 150.000 Häuser erneuert, davon entfällt ein Drittel auf die serbische Volksgruppe. Etwa die Hälfte der Rückkehrer blieb in Kroatien. Probleme gibt es seit dem EU-Beitritt vor allem in der Stadt Vukovar, wo sich die Gemeinde weigert, Aufschriften in Kyrillischer Sprache anzubringen. Offene Fragen gibt es auch mit Serbien; dazu zählen die Klärung des Schicksals der Vermissten, die Rückgabe von Kulturgütern und die Grenzziehung an der Donau. Keine versöhnlichen Töne kamen gestern aus Belgrad. Die Operation „Sturm“ wurde nur als Kriegsverbrechen gewertet, die eigene Opferrolle wurde betont, eine Einsicht in die enorme Verantwortung für den blutigen Zerfall Jugoslawiens fehlt weiterhin.

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