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Kroatien vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft

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Berichte Kroatien

Am ersten Jänner übernimmt Kroatien für sechs Monate den Vorsitz in der EU. Zu den Schwerpunkten dieser Präsidentschaft soll unter anderem die gleichmäßige regionale Entwicklung in der EU zählen; daran ist auch Kroatien selbst interessiert, denn seine Region Slawonien zählt zu den am wenigsten entwickelten Regionen in der EU insgesamt. Enorm ist auch die Auswanderung vor allem in andere Länder der EU; die Schätzungen reichen bis zu 300.000 Personen; andererseits haben viele kroatische Mittelbetriebe die Chance des gemeinsamen EU-Marktes nutzen können; außerdem wirkte sich der Druck aus Brüssel positiv auf die Staatsfinanzen aus. Kroatien ist mit seinem Beitritt im Jahre 2013 das jüngste EU-Mitglied und das bisher letzte Balkan-Land, das in die EU aufgenommen worden ist; aus Kroatien berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der EU-Beitritt Kroatiens im Sommer 2013 hat seinen klaren Niederschlag auch in der Wirtschaftsstatistik gefunden. Von 2012 bis 2018 stiegen die Importe aus der EU von 10 auf mehr als 18 Milliarden Euro; die Exporte aus Kroatien nahmen von 5,6 auf fast 10 Milliarden Euro zu. Ein gutes Beispiel dafür wie kroatische Firmen den Beitritt nutzen konnten, bildet die Firma Metall –Product 50 Kilometer nördlich von Agram. Erzeugt werden hier vor allem Komponenten für die Elektroindustrie. Begonnen hat der Unternehmer Stjepan Safran noch in kommunistischer Zeit mit einer Werkstatt von fünf Mitarbeitern. Nun zählt die Firma 240 Mitarbeiter; produziert wird vor allem für Firmen aus Deutschland, Italien und Österreich. Dazu sagt Firmengründer Stjepan Safran:

"Vor dem EU-Beitritt produzierten wir zu 90 Prozent für den kroatischen Markt und 10 Prozent für den Export. Nach dem Beitritt führte unsere Zusammenarbeit mit unseren strategischen Partnern dazu, dass wir 2016 und 2017 binnen Jahresfrist 170 neue Arbeitsplätze schufen; den Export haben wir versiebenfacht, den Umsatz mehr als vervierfacht, und sehr viel Geld investiert. Nun liegt unser Exportanteil bei 80 Prozent."

Die Schweißer stammen aus Bosnien, ein Hinweis darauf, dass auch diese Firma die Abwanderung von Fachkräften spürt, die der EU-Beitritt drastisch verstärkt hat. Ein Grund dafür ist die Unterentwicklung etwa in Slawonien; dazu sagt in Agram der ehemalige stellvertretende Minister für regionale Entwicklung, Jaksa Puljiz:

"Unsere unterentwickeltsten Regionen zählen in der EU zu den zehn Prozent am wenigsten entwickelten Regionen. Das ist keine Überraschung, weil sich Kroatien in seinem Entwicklungsgrad am unteren Ende der EU befindet; Kroatien, Bulgarien und Rumänien sind die drei am schwächsten entwickelten Länder."

Mehr als 10 Milliarden Euro hat Kroatien bis Ende des Jahres 2023 aus Mitteln aus Fonds der EU zur Verfügung; derzeit wurden 30 Prozent ausbezahlt; der Trend sei aber positiv, betont Jaksa Puljiz:

"Die Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass es eine Kurve bei der Nutzung der Fonds gibt. Am Beginn ist die Kurve sehr flach, doch vor allem in den letzten drei Jahren steigt sie sehr steil an. Ich glaube, dass Kroatien am Ende mehr als 80 Prozent der Fonds nutzen wird; doch es wäre ein Wunder, wenn alle Mittel genutzt werden könnten; die Mehrheit der EU-Länder nutzt die Fonds aber völlig“.

Doch es besteht kein Zweifel, dass die EU Kroatien positiv verändert hat; eine wichtige Rolle spielte sie als finanzpolitischer Zuchtmeister, betont der Wirtschaftsexperte Damir Novotny:

"Der positivste Effekt liegt im Druck auf den Staatsapparat und die Regierungspolitik. Dazu zählen die Konsolidierung der Staatsfinanzen und der Rückgang der öffentlichen Verschuldung; außerdem verringert sich der Einfluss auf die Wirtschaft, was auch sehr wichtig ist."

Der enorme staatliche Sektor zählt weiter zu den Hemmschuhen für eine rasche Entwicklung. Auf dem Weg zu seiner Modernisierung hat Kroatien noch viele schwierige Reformen zu bewältigen.

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