× Logo Mobil

Kroatien vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft

Sonstiges
Facebook
Berichte Kroatien

Am ersten Jänner übernimmt Kroatien für sechs Monate den Vorsitz in der EU. Zu den Schwerpunkten dieser Präsidentschaft soll unter anderem die gleichmäßige regionale Entwicklung in der EU zählen; daran ist auch Kroatien selbst interessiert, denn seine Region Slawonien zählt zu den am wenigsten entwickelten Regionen in der EU insgesamt. Enorm ist auch die Auswanderung vor allem in andere Länder der EU; die Schätzungen reichen bis zu 300.000 Personen; andererseits haben viele kroatische Mittelbetriebe die Chance des gemeinsamen EU-Marktes nutzen können; außerdem wirkte sich der Druck aus Brüssel positiv auf die Staatsfinanzen aus. Kroatien ist mit seinem Beitritt im Jahre 2013 das jüngste EU-Mitglied und das bisher letzte Balkan-Land, das in die EU aufgenommen worden ist:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Kroatien

Insert1: Stjepan Safran, Unternehmer in Kroatien

Insert2: Stjepan Safran, Unternehmer in Kroatien

Insert3: Martin Karner, Technischer Geschäftsführer Weitzer Parkett

Insert4: Martin Karner, Technischer Geschäftsführer Weitzer Parkett

Insert5: Jaksa Puljiz, Institut für die Entwicklung internationaler Beziehungen

Insert6: Jaksa Puljiz, Institut für die Entwicklung internationaler Beziehungen

Insert7: Damir Novotny, Wirtschaftsexperte in Kroatien

Insert8: Damir Novotny, Wirtschaftsexperte in Kroatien

Gesamtlänge:

Die Firma Metal –Product liegt 50 Kilometer nördlich von Agram. Erzeugt werden hier vor allem Komponenten für die Elektroindustrie. Mehr als 3.000 Produkte umfasst das Sortiment. Begonnen hat der Unternehmer Stiepan Safran noch in kommunistischer Zeit mit einer Werkstatt von fünf Mitarbeitern. Nun zählt die Firma 240 Mitarbeiter; produziert wird vor allem für Firmen aus Deutschland, Italien und Österreich. Vor dem EU-Beitritt lag der Exportanteil bei nur zehn Prozent. Das hat sich drastisch geändert:

11'23 - Folgen des EU-Beitritts - 12'57

"Nach dem Beitritt führte unsere Zusammenarbeit mit unseren strategischen Partnern dazu, dass wir 2016 und 2017 binnen Jahresfrist 170 neue Arbeitsplätze schufen; den Export haben wir versiebenfacht, den Umsatz mehr als vervierfacht, und sehr viel Geld investiert. Nun liegt unser Exportanteil bei 80 Prozent, und 20 Prozent produzieren wir für den kroatischen Markt."

Die Schweißer stammen aus Bosnien, ein Hinweis darauf, dass auch diese Firma die Abwanderung von Fachkräften führt, die der EU-Beitritt drastisch verstärkt hat. Doch im Kleinen gibt es auch gegenläufige Tendenzen:

(18'17 - Löhne und Rückkehr - 19'25

"Unsere guten Facharbeiter verdienen auch gut; einige gingen nach Österreich und Deutschland, doch schrittweise kommen sie zurück. Denn vergleicht man alle Lebenshaltungskosten, so ist das Leben hier billiger und der Lebensstil anders. Prozentuell gerechnet sind wir bei den Lohnkosten aber in Kroatien noch immer um etwa 40 Prozent billiger.")

Die EU-Mitgliedschaft hat auch zu neuen ausländischen Investitionen geführt wie diese Firma aus der Steiermark zeigt; sie nutzt den Holzreichtum in Kroatien für ihre Werke, die Parkettböden erzeugen. Die lokale Produktion soll 2020 starten; 10 Millionen Euro werden investiert. Trotz höherer Löhne und besserer Sozialleistungen spürt auch diese Firma die Auswanderung:

2'15 - Rekrutierung schwierig - 2'30

"Die Rekrutierung der Mitarbeiter ist schwierig. Das ist nicht nur durch die Personenfreizügigkeit, das ist auch landesintern durch den Saisonbetrieb im Sommer an der Küste, und setzt ergänzende Maßnahmen für das Rekruting voraus."

Trotzdem überwiegen die Vorteile; Kroatien liegt quasi vor der Haustür, und durch den EU-Beitritt fielen alle Handelsschranken und die Zölle fielen weg:

1'28 - Keine Zölle - 1'40

"Ist auch ein Thema natürlich, weil man auch für die Zukunft eine Absicherung hat, dass man, wenn man hier ein Millionen-Investment macht, nicht in ein, zwei, drei Jahren vielleicht durch irgendwelche Zölle wieder eingeschränkt wird."

Kroatien hat bisher Mittel aus EU-Fonds nur mäßig nutzen können. Obwohl die Nutzung besser wird, liegt Kroatien dabei am unteren Ende der EU; das gilt auch für den gesamten Entwicklungsgrad:

18'29 - Unterentwickelte Regionen und EU - 19'07

"Unsere unterentwickeltsten Regionen zählen in der EU zu den zehn Prozent am wenigsten entwickelten Regionen. Das ist keine Überraschung, weil sich Kroatien in seinem Entwicklungsgrad am unteren Ende der EU befindet; Kroatien, Bulgarien und Rumänien sind die drei am schwächsten entwickelten Länder."

Mehr als 10 Milliarden Euro hat Kroatien bis Ende des Jahres 2023 aus Mitteln au Fonds der EU zur Verfügung; derzeit wurden 30 Prozent ausbezahlt;

10'25 - Mehr als 80 Prozent erwartet - 12'02

"Die Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass es eine Kurve bei der Nutzung der Fonds gibt. Am Beginn ist die Kurve sehr flach, doch vor allem in den letzten drei Jahren steigt sie sehr steil an. Ich glaube, dass Kroatien am Ende mehr als 80 Prozent der Fonds nutzen wird; doch es wäre ein Wunder, wenn alle Mittel genutzt würden; die Mehrheit der Länder nutzt die EU-Fonds völlig, denn sie haben auch viele Projekte auf Vorrat, die genutzt werden können, wenn die EU gewisse Projekte zurückweisen sollte. Bei Kroatien besteht das Problem darin, dass dieser Vorrat an Projekten nicht groß genug ist, um Verluste auszugleichen, die bei Korrekturen bei der Umsetzung von Projekten durch die EU entstehen können. Somit dürften wir 2023 nicht alles genutzt haben, was uns zur Verfügung steht."

Doch es besteht kein Zweifel, dass die EU Kroatien positiv verändert hat:

28'27 - ZiB2 29'06

"Der positivste Effekt des EU-Beitritts liegt im Druck auf den Staatsapparat und die Regierungspolitik. Dazu zählen die Konsolidierung der Staatsfinanzen, der Rückgang der öffentlichen Verschuldung sowie die Entwicklung der Institutionen; damit verringert sich der Einfluss einer schlechten Politik insgesamt, und auch der Einfluss auf die Wirtschaft wird geringer, was auch sehr wichtig ist."

Eine wichtige Rolle spielte die EU als finanzpolitischer Zuchtmeister:

3'17 - Staatssektor als Problem und EU - 4'46

Im staatlichen Sektor sind die Ausgaben seit dem Jahr 2008 bis heute um 30 Prozent gestiegen; das ist einer der Hauptgründe, warum es Kroatien nicht geschafft hat, rasch aus der Krise herauszukommen. Sehr wichtig war der EU-Beitritt, denn dadurch kam es auch zu einem Verfahren durch die EU-Kommission wegen des übermäßig hohen Budgetdefizits und der makroökonomischen Ungleichgewichte; da hat Kroatien bedeutende Schritte gesetzt, und seine öffentlichen Finanzen stabilisiert. Der Regierung gelang es, die öffentlichen Ausgaben zu stabilisieren, die EU-Kohäsionsfonds wurden zugänglich auch für private Betriebe und den öffentlichen Sektor, und die Investitionen beschleunigten sich. Kroatien gelang es, 2016 aus der lange dauernden Krise, aus der Stagnation herauszutreten. Sechs Jahre nach dem EU-Beitritt sehen wir bedeutsame strukturelle Änderungen; Klein- und Mittelbetriebe haben es geschafft, sich in Produktionsprozesse der westeuropäischen Industrie zu integrieren, und die Exporte nehmen Jahr für Jahr zu.“

Der enorme staatliche Sektor zählt weiter zu den Hemmschuhen für eine rasche Entwicklung Kroatiens. Auf dem Weg zu seiner Modernisierung hat das Land noch viele schwierige Reformen zu bewältigen.

Facebook Facebook