Interview mit Ministerpräsident Plenkovic
Fünf Jahre ist Kroatien nun Mitglied der EU; das genaue Beitrittsdatum war der 13. Juni 2013. Kroatien schaffte diesen Beitritt quasi im letzten Abdruck, denn nach internationaler Finanzkrise und der Euro- und Griechenlandkrise war die Erweiterungsmüdigkeit in der EU damals bereits deutlich spürbar. Kroatien war daher sicher auch für mindestens zehn Jahre das bisher letzte Land des ehemaligen Jugoslawien, das die EU aufgenommen hat. Nur zum Teil genutzt hat Kroatien die Chancen, die sich dem Land durch den EU-Beitritt geboten haben. Positiv sind sinkende Arbeitslosigkeit und größere Finanzdisziplin der Regierungen. Auch die Exporte haben spürbar zugenommen, gleiches gilt aber auch für die Abwanderung; außerdem ist Kroatien bisher Schlusslicht bei der Nutzung von EU-Förderungen. Über ein Bilanz von fünf Jahren EU-Mitgliedschaft hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenkovic gesprochen; hier sein Bericht:
Die ersten fünf Jahre in der EU waren für Kroatien von eine Zeit großer politischer Instabilität begleitet; das Land hatte drei Regierungen, und Andrej Plenkovic der dritte Ministerpräsident ist, der in diesen fünf Jahren amtiert. Auch Plenkovic verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit und hatte einige Krisen zu überstehen, darunter die Krise des Konzerns Agrokor, des bei weitem größten Unternehmens in Kroatien. Profitiert hat die Regierung vom Druck der EU, die eine Eindämmung der hohen Staatsverschuldung mit Nachdruck forderte. Die Verschuldung sinkt, im Vorjahr wurde zum ersten Mal ein Budgetüberschuss erwirtschaftet. Die ersten fünf Jahre in der EU bewertet Ministerpräsident Andrej Plenkovic so:
"Wir hatten Erfolg beim Wirtschaftswachstum und bei der Entwicklung des Landes. Kroatien ist heute zuverlässiger und vorhersehbarer in seinem Rechtsrahmen für inländische und ausländische Unternehmen und Investoren. Die Freizügigkeit ist heute ein Faktum für Kroaten; das hat ein Teil unserer Bürger genutzt, wie das in anderen Ländern nach dem EU-Beitritt auch der Fall war. Als Regierung tun wir alles, damit unsere Bürger eine Perspektive für Arbeit und Familie vor allem in Kroatien haben können."
Freizügigkeit heißt in dem Fall Auswanderung und ein Fehlen von Arbeitskräften, das bereits viele kroatische Betriebe spüren. Arbeitskräftemangel führt zu höheren Löhnen und damit zu geringerer Konkurrenzfähigkeit. Fraglich ist daher, wie lange der starke Zuwachs an Exporten anhalten wird, die seit dem EU-Beitritt um 50 Prozent gestiegen sind; dazu sagt Andrej Plenkovic:
"Bei einem Treffen mit Exporteuren haben wir darüber gesprochen, wie der Staat helfen kann, damit die Firmen ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem europäischen Markt erhöhen. Hier sind zusätzliche Anstrengungen nötig. Gut ist, dass wir die Nutzung von EU-Fonds beschleunigt haben. In den ersten sieben Jahren seiner Mitgliedschaft stehen Kroatien 10,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Jahre 2016 hatten wir nur 9 Prozent dieser Mittel genutzt, jetzt sind wir bei 43 Prozent und Ende 2018 werden es 60 Prozent sein. Wir haben über die sieben Jahre hinaus noch weitere drei Jahre zur Verfügung, und bis dahin werden wir wohl alle Mittel aus den EU-Fonds ausgenutzt haben."
Dieses Geld braucht Kroatien dringend, um seine unterentwickelten Regionen zu modernisieren. Insgesamt liegt das Land derzeit in seiner Entwicklung bei 60 Prozent des EU-Durchschnitts. Doch der Brexit könnte dazu führen, dass auch Kroatien weniger Geld aus der EU erhält. Die vorliegende Finanzvorschau aus Brüssel kommentiert Plenkovic so:
"Als jüngstes Mitglied der EU wünschen wir uns, dass wir den Nutzen der Kohäsionspolitik spüren, die uns bei einer gleichmäßigen Entwicklung Kroatiens helfen kann. da geht es um Mittel zur Kofinanzierung von Projekten und um die dauerhafte Möglichkeit, Projekte durchführen zu können. Da dürfen wir in keine nachteilige Lage kommen; das gilt auch für die Landwirtschaftspolitik; da geht es um die Nutzung von EU-Mitteln zur Unterstützung kroatischer Bauern bis 2022, um das kroatische Budget zu entlasten; darauf werden wir bestehen.“
Im Mai hat die kroatische Regierung ihre Strategie zur Euro-Einführung beschlossen; Ziel ist es binnen etwa sechs Jahren Teil der Euro-Zone zu sein. Was den Schengen-Raum betrifft so hält Plenkovic einen positiven politischen Beschluss auf EU-Ebene im kommenden Jahr für möglich. In die Sicherung der EU-Außengrenze wurden auch mit Hilfe aus Brüssel bereits 120 Millionen Euro investiert.