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Lokalaugenschein an der Nebenroute des Balkan

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Berichte Kroatien

Am Balkan wird die klassische Route für die Migration weiter stark überwacht. Doch zunehmend Ankünfte aus der Türkei nach Griechenland sowie die Visafreiheit, die zwischen Serbien und dem Iran sowie zwischen der Türkei und Bosnien besteht, führt seit einigen Monaten nun wieder zu stark steigenden Migrationsbewegungen. Ein Brennpunkt der neuen Route ist nun Bosnien und Herzegowina; seine Außengrenze mit Kroatien ist mehr als 1000 Kilometer lang und die kroatische Grenzpolizei hat daher auch die Überwachung dieser Außengrenze verstärkt. Ein Sammelpunkt für Migranten, die nach Kroatien einreisen wollen liegt im Gebiet der bosnischen Stadt Velika Kladusa. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz war jüngst in dieser Stadt und hat auch mit Vertretern der Grenzpolizei in Kroatien und in Bosnien gesprochen. Hier sein Bericht, von der Nebenroute, in dem auch verstärkt Schlepper wieder ein lukratives Geschäft betreiben, den das Schmuggeln von Menschen hat entlang der gesamten Balkan-Route wieder stark zugenommen:

Der kroatisch-bosnische Grenzübergang Maljevac liegt 100 Kilometer südlich von Zagreb. Die Hälfte der Strecke ist Autobahn. Das Angelände und dieser Abschnitt der Grenze generell sind bewaldet, von Wiesen durchbrochen, ein Gelände des sich an sich gut zum illegalen Grenzübertritt eignet. Schlepper nutzen aber auch die Übergänge. Als wir nach Maljevac kamen, hatte die Grenzpolizei am Unterboden eines Autobusses gerade drei Syrer entdeckt; sie seien schwarz wie Bergleute gewesen, erzählt ein Augenzeuge. Keine fünf Kilometer hinter Maljevac liegt die bosnische Stadt Velika Kladusa. Den schattigen Park im Zentrum bevölkern 20 Flüchtlinge und Migranten. Am Stadtrand auf einer Wiese an einem Bach steht ein kleines Lager mit Zelten; etwa 70 Personen lagern hier, Afghanen, Kurden aus dem Irak, Iraner, Pakistani und natürlich Familien aus Syrien. Einen großen, bulligen Syrer mit Namen Salah treffen wir ebenfalls; er sei kein Neuankömmling, erzählt Salah:

„Ich lebe schon drei Jahr in Deutschland; hierher gekommen bin ich, um meine Frau zu holen; doch der Rückweg ist ein Problem, wegen der Kontrolle durch Kroatien“

Velika Kladusa zählt etwa 40.000 Einwohner, vorwiegend Bosniaken. So manche kommen ins Lager und versorgen die Bewohner mit Medikamenten, Nahrung und Kleidung, die in Schulen gesammelt wurden. Dazu zählt die Lehrerin Sehida Bihorac

„Sie bleiben länger als einige Tage und es werden immer mehr. Jetzt ist die Lage so, dass man die Lage nicht kontrollieren kann. Die Menschen hängen von uns ab, was wir ihnen helfen und geben können, die einfachen Leute, die Bürger.“

Das reguläre Aufnahmelager liegt in der Herzegowina in Salakovac, in der Nähe von Mostar. Platz finden hier 300 Personen. Auch in diesem Lager mit seinen festen Unterkünften treffen wir viele Afghanen; einer von ihnen erzählt:

„Wir zahlen 2.000 Euro; dafür kommen wir nach Bihac, dann mit dem Auto, dann durch den Wald und zu Fuß über die Grenze, dann sind wir in Kroatien.“

Bosnien zählte in den ersten vier Monaten dieses Jahres 3.300 Zurückweisungen an der Grenze und 1.800 Aufgriffe von Migranten. Dazu sagt in Sarajewo der Minister für öffentliche Sicherheit Dragan Mektic:

„Jetzt kommen immer mehr klassische Wirtschaftsflüchtlinge. Pakistani sind die meisten, die jetzt illegal einreisen, erst dann kommt Syrien. Der dritte Platz fällt auf den Iran; mit Iranern haben wir ein ernsthaftes Problem durch die Visafreiheit, die Serbien dem Iran gewährt hat. Gerüchte sprechen davon, dass Serbien nun auch mit Pakistan über eine Visafreiheit verhandelt. Wenn Serbien so vorgeht, muss Serbien diese Bürger aber auch problemlos zurücknehmen.“

Was Mektic verschweigt, ist, dass auch türkische Staatsbürger die Visafreiheit mit Bosnien zum selben Zweck nutzen. Das wiederum spürt Kroatien, dessen Grenze zu Bosnien mehr als 1000 Kilometer lang ist. In den ersten vier Monaten griff die kroatische Grenzpolizei 1760 Migranten auf, das ist eine Zunahme um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Weiterhin ist Kroatien kein Ziel, sondern nur Transitland. Trotzdem würden vermehrt Asylanträge gestellt, erläutert Gilio Toic Sintic, stellvertretender Leiter der kroatischen Grenzpolizei:

"Wir haben viele Fälle, wo das Asylrecht mißbraucht wird. Ein und dieselbe Person hat Asyl bereits beantragt in Griechenland, Bulgarien oder Rumänien und dann Kroatien. Das geht so weiter, bis das Zielland erreicht wird."

Nach Angaben der Grenzpolizei sei Kroatien derzeit selbstständig in der Lage, seine Grenze zu schützen. Ob das so bleibt, werden die kommenden Monate zeigen.

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