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Schiedsgericht entscheidet über die Bucht von Piran

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Kleine Zeitung
Berichte Kroatien
In Den Haag verkündet heute ein Schiedsgericht sein Urteil über den Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien in der Bucht von Piran und auch über zwei umstrittene Punkte an der Landgrenze. Was als Beispiel für eine Lösung von Grenzkonflikten gedacht war, könnte zu neuen Spannungen zwischen den Nachbarstaaten führen. Denn Kroatien wird den Spruch nicht anerkennen; es ist bereits vor zwei Jahren aus dem Verfahren ausgestiegen, während Slowenien auf der Umsetzung des Spruchs beharrt.

Beim Zerfall des kommunistischen Jugoslawien entscheid die sogenannte Badinter-Kommission im Jahre 1991, dass die administrativen Grenzen zwischen den ehemaligen Teilrepubliken die künftigen Grenzen dieser nun selbständigen Staaten sein sollten. Im Falle von Slowenien und Kroatien blieben aber trotzdem einige Fragen offen; Dazu zählen die Festlegung der Grenze an der Mur, beim Berg Sveta Gera /Trdinov Vrh und vor allem die Festlegung der Seegrenze in der Bucht von Piran; Seegrenzen waren im ehemaligen Jugoslawien zwischen den Teilrepubliken nicht festgelegt, und diese Frage wurde auch von der Badinter-Kommission nicht gelöst. Nach dem Ende der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien versuchten Laibach und Agram, den Grenzstreit selbst beizulegen; im Jahre 2001 unterzeichneten die damaligen Ministerpräsidenten Janez Drnovsek und Ivica Racan ein ein entsprechendes Abkommen, das jedoch das kroatische Parlament nicht ratifizierte. Die Frage blieb ungelöst; doch im Dezember 2008 blockierte Slowenien, das 2004 der EU beigetreten war, die Beitrittsverhandlungen der EU mit Kroatien und forderte eine Lösung des Grenzstreits; die Beitrittsgespräche blieben fast ein Jahr blockiert; Slowenien beanspruchte den Großteil der Bucht von Piran und einen Zugang zu internationalen Gewässern, während Kroatien die Seegrenze in der Mitte der Bucht gezogen sehen wollte.

Im November 2009 einigten sich schließlich der slowenische Ministerpräsident Borut Pahor und die kroatische Regierungschefin Jadranka Kosor auf ein internationales Schiedsgericht, das aus fünf Richtern besteht. Während Kroatien akzeptieren musste, dass dieses Gericht auch über den Zugang Sloweniens zu internationalen Gewässern entscheidet, akzeptierte Slowenien, dass diese Entscheidung erst nach dem kroatische EU-Beitritt getroffen wird, der im Sommer 2013 erfolgte. Beide Länder verpflichteten sich auch, den Schiedsspruch anzuerkennen. Während in Kroatien damals alles glatt ging, initiierte in Slowenien die nationalistische Opposition ein Referendum gegen das Schiedsgericht, das aber keine Mehrheit fand. Trotzdem war die Stimmung in beiden Ländern sehr aufgeheizt, Emotionen, die nach dem heutigen Schiedsspruch wieder zu Spannungen und Problemen führen könnten. Denn Kroatien wird das heute in Den Haag verkündete Urteil nicht anerkennen. Grund dafür sind abgehörte Telefongespräche aus dem Jahre 2015 zwischen dem slowenischen Richter im Schiedsgericht, Jernej Sekolec, und der Beamtin des slowenischen Außenministeriums, Simona Drenk. Obwohl Sekolec von Slowenien vorgeschlagen war, hätte er unabhängig urteilen müssen; doch er informierte Drenk über Interne des Verfahrens und beide berieten auch darüber, wie andere Richter zugunsten Sloweniens beeinflusst werden könnten. Das kroatische Parlament erklärte das Verfahren daraufhin für „unwiderruflich vergiftet“ und beschloss einstimmig den Ausstieg aus dem Schiedsgericht. Der von Kroatien nominierte Richter trat zurück und heute wird auch kein kroatischer Vertreter das Urteil in Den Haag entgegen nehmen.

Das Verfahren lief aber trotzdem weiter; zwar trat der belastete slowenische Richter zurück und das Schiedsgericht entschied Ende Juni 2016 auch, dass Slowenien das Abkommen mit Kroatien verletzt habe, doch nicht in dem Ausmaß, dass das Schiedsgericht nicht weiter tätig sein können. Slowenien ist der Ansicht, dass Kroatien nur einen Vorwand für den Ausstieg gesucht habe und beharrt auf der Umsetzung des Schiedsspruchs; doch auch Slowenien schuf sich eine derartige Hintertür, denn das Parlament in Laibach beschloss Anfang 2013, den Schiedsspruch nur dann anzuerkennen, wenn er Slowenien einen Zugang zu internationalen Gewässern zuerkennen werde. Das ist wahrscheinlich, doch wirklich entscheidend ist, wie in den folgenden sechs Monaten beide Länder reagieren werden, in denen der Spruch eigentlich umgesetzt werden müsste. So forderte der ehemalige slowenische Außenminister Dimitri Rupl den Einsatz der Marine, um Kroatien zur Anerkennung zu zwingen, die völkerrechtlich unmöglich ist. Zu hoffen bleibt daher, dass beide Seiten kühlen Kopf bewahren. Von Blockaden und Spannungen in der Bucht von Piran könnte auch Österreich betroffen sein, denn der Hafen Koper ist der wichtigste Seehafen für Österreich. Der Streit zwischen den ehemaligen jugoslawischen „Bruder-Völkern“ hat jedenfalls negative Beispielswirkung auch für andere Grenzkonflikte in Ex-Jugoslawien, für die ein positiver Ausgang des Schiedsgerichtsverfahrens als Beispiel für die Lösung von Grenzkonflikten hätte dienen können.
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