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Kroatisches Parlament berät über Lex Agrokor

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Berichte Kroatien
In Kroatien berät das Parlament heute über die Krise des Nahrungsmittelkonzerns Agrokor. Der größte kroatische Konzern des kroatischen Oligarchen Ivica Todoric hat sechs Milliarden US-Dollar Schulden, zwei Milliarden bei Lieferanten und mindestens 3,5 Milliarden bei den Banken. Mehr als 50 Prozent der Kredite entfallen auf die russische Sberbank und auf die österreichische Tochter der russischen VTB-Bank; betroffen sind aber auch die Erste-Group und die Raiffeisenbank Austria. Die sechs führenden Banken haben mit Agrokor bereits ein Stillhalteabkommen geschlossen, auf das nun das Sondergesetz folgen soll; damit sollen ein Zeitgewinn für eine Restrukturierung des Konzerns erreicht und ein normales Konkursverfahren vermieden werden. Von einem Konkurs wären nicht nur die Banken und Kroatien, sondern auch Länder wie Slowenien, Bosnien und Serbien betroffen; aus Belgrad berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz:



Das „Lex-Agrokor“ genannte Sondergesetz sieht vor, dass ein für Kroatien systemrelevantes Unternehmen für 15 Monate eine Art Schutz vor seinen Gläubigern erhalten kann. In dieser Zeit sind durch einen Krisenmanager und unter Aufsicht eines Richters die Restrukturierung des Betriebes sowie ein Vergleich mit den Gläubigern zu erzielen. Gelten soll dieses Gesetz für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Schuldenstand von mehr als einer Milliarde Euro. Kroatien hat etwa zehn derartige Firmen derartiger Größe. Politisch und juristisch ist das Gesetz umstritten. Dazu sagt in Agram der Wirtschaftsexperte Damir Nowotny:



„Ein Streitpunkt besteht in der Frage, ob dieses Sondergesetz der kroatischen Verfassung entspricht; einige Verfassungsrechtler bestreiten das. Zweitens ist umstritten, wie der Krisenmanager bestellt wird. Ein Vorschlag ist, dass der Schuldner den Krisenmanager selbst bestellen kann, dass dieser aber von einem Gericht bestätigt werden muss. Weiter geht es um die Verwaltung des betroffenen Unternehmens in diesem Zeitraum von 15 Monaten und darum, ob ein Gläubiger-Ausschuss mit fünf Mitgliedern gebildet werden soll.“



Agrokor und die sechs größten Gläubigerbanken haben vor wenigen Tagen ein Stillhalte-Abkommen erzielt. Es sieht eine Restrukturierung des Konzerns, einen Krisenmanager und Änderung im Management des Konzerns vor, der etwa 60 Betriebe umfasst. Die beiden größten Gläubiger aus Russland wollen, dass Antonio Alvarez III Krisenmanager wird; er leitete auch das Konkursverfahren der Bank Lehman-&Brothers in den USA; auch eine unabhängige Unternehmensführung soll kommen, denn die Russen haben Zweifel, ob alle Bilanzen von Agrokor die Realität des Konzerns widerspiegeln. Zum Stillhalte-Abkommen soll auch eine Aussetzung der Zinszahlungen gehören, die bei Agrokor mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr ausmachen sollen. Raiffeisen Austria und die Erste&Group gaben sich unter Hinweis auf das Bankgeheimnis wortkarg, was den Umfang ihrer Kredite betrifft; dagegen ließ ein Sprecher der Sberbank bereits verlauten, dass Agrokor eine zusätzliche Finanzspritze benötigen werde. Die Krise des Konzerns bedeutet auch den tiefen Fall des Agrokor-Gründers – des größten kroatischen Oligarchen - Ivica Todoric. Der bislang mächtigste Mann Kroatiens werde die Herrschaft über sein Familien-Imperium verlieren, betont der Wirtschaftsexperte Damir Novotny:



„Ich glaube, dass Agrokor ohne seinen Gründer Ivica Todoric wird weitermachen müssen, dass es zu großen Änderungen kommen wird, wobei man aber nicht vergessen darf, dass einzelne Firmen wirklich sehr gut sind. Die Handelskette Konzum muss sicher restrukturiert werden, Filialen schließen und 20 Prozent Mitarbeiter abbauen, so die Handelskette 15 aber nicht 30 Prozent Marktanteil wird halten können. Ich glaube, dass die Gruppe Agrokor sicher aufgeteilt wird, damit einzelne Teile weiter am Markt bestehen bleiben können.“



Agrokor zählt am Balkan 60.000 Mitarbeiter; allein in Kroatien sind es mehr als 30.000; zum Konzern zählen die Handelsketten „Konzum“ und Mercator, bekannte Lebensmittelmarken und landwirtschaftliche Betriebe; zu den Folgen der Agrokor-Krise sagt Damir Novotny:



„30.000 Mitarbeiter sind für Kroatien nicht wenige Arbeitsplätze; doch in den Jahren der Krise hat die kroatische Wirtschaft 200.000 Arbeitsplätze eingebüßt. Ich schätzt, dass im schlimmsten Fall, wenn Agrokor überhaupt aufhören sollte zu bestehen, dass das einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein Prozent bedeuten könnte; doch zu diesem schlimmsten Fall wird es sicher nicht kommen. Einen Schock könnte das in Serbien hervorrufen, nicht aber für Slowenien; denn als Agrokor die Handelskette Mercator kaufte, musste sich Agrokor verpflichten, den Cash flow von Mercator nur für Mercator zu verwenden. Damit besteht ein gewisser Schutz für Mercator.“



In welchem Ausmaß Lieferanten und Mitarbeiter in Kroatien geschützt sind, wird sich dagegen erst noch weisen.



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