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Wahlanalyse und Ausblick

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Kleine Zeitung
Berichte Kroatien
In Kroatien ist der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Zoran Milanovic, seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Milanovic zog damit die Konsequenzen aus der Niederlage seines Mitte-Links-Bündnisses bei der gestrigen vorgezogenen Parlamentswahl. Während dieses Bündnis nur auf 54 Mandate kam, gewann die nationalistische HDZ mit 61 Sitzen klar die relative Mehrheit. Der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Milanovic begründete seinen Rückzug aus der Politik damit, dass sein Mitte-Links-Bündnis keine Chance habe, als klar Zweitplatzierter eine Regierung zu bilden. Auch die von Milanovic in der Wahlnacht ins Spiel gebrachte große Koalition mit der HDZ wird es nicht geben, weil die HDZ dazu nicht bereit ist. Milanovic wird beim kommenden Parteitag der Sozialdemokraten nicht mehr für das Amt des Vorsitzenden kandidieren. Milanovic trägt mit seinem überheblichen und alles andere als volksnahen Auftreten im Wahlkampf die Hauptschuld an der Niederlage seines Bündnisses. Außerdem vermochte sich der Sozialdemokrat nicht auf Andrej Plenkovic einzustellen, der die HDZ erst vor zwei Monaten als Vorsitzender übernahm und mit seinem gemäßigten Auftreten Wähler der Mitte zurückgewann. Milanovics Niederlage hängt aber auch mit der niedrigen Wahlbeteiligung zusammen; gestern ging praktisch nur jeder zweite kroatische Stimmberechtigte zur Wahl, vor allem viel enttäuschte Wähler der Linken blieben zu Hause.



In Kroatien läuft nun alles darauf hinaus, dass der HDZ-Vorsitzende Andrej Plenkovic Ministerpräsident wird; wie schnell hängt von den Verhandlungen mit der Bürgerbewegung MOST ab, die zwar deutlich verlor, aber mit 13 Mandaten drittstärkste Kraft und Zünglein an der Waage blieb. MOST-Vorsitzender Boze Petrow stellte vor der Wahl Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung; wie sehr diese Bedingungen nun noch gelten, bleibt abzuwarten. Kroatien braucht eine stabile Regierung, die HDZ ist unter Plenkovic wieder deutlich in die politische Mitte gerückt, und die vorwiegend konservativen MOST-Wähler würden ihrer Partei wohl kaum verzeihen, sollte eine Koalition mit der HDZ an unrealistischen Forderungen scheitern. Außerdem fällt mit dem Rücktritt von Milanovic für MOST das Mitte-Links-Bündnis wohl auch als theoretische Alternative weg, weil die Sozialdemokraten zunächst ihre internen Probleme lösen müssen. Auf eine rasche Regierungsbildung drängte gestern, jedenfalls bereits Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic; sie werde keine Verzögerungen oder Ultimaten dulden, Kroatien brauche eine stabile Regierung und habe keine Zeit zu verlieren, betonte Grabar-Kitarovic, die demnächst mit den Parteivorsitzenden der Parlamentsparteien Konsultationen aufnehmen wird. Auch Andrej Plenkovic ist bestrebt, in den kommenden Wochen die Koalitionsverhandlungen unter Dach und Fach zu bringen. HDZ und MOST fehlen zur absoluten Mehrheit von 76 Sitzen noch zwei Sitze, die etwa von den acht Abgeordneten der nationalen Minderheiten kommen könnten. Die eigentliche Überraschung der Wahl ist jedoch der große Erfolg der Protestbewegung „Lebende Mauer“, die von einem Sitz auf acht Mandate zulegen konnte. Diese Bewegung ist wohl noch heterogener als MOST und steht der HDZ weltanschlich doch recht fern. Im Parlament vertreten sind auch noch einige Kleinstparteien: die Regionalpartei der Halbinsel Istrien mit vier Mandaten, die Partei des Agramer Bürgermeisters Milan Bandic mit zwei Mandaten sowie die ultranationalistische Partei HDSSB in Slawonien mit einem Sitz. Von den drei Abgeordneten, die die Auslandskroaten wählen, gingen zwei Sitze an die HDZ, und ein Mandat gewann ein Kroate durch Vorzugsstimmen; dadurch schafften in Kroatien auch einige auf ihren Parteilisten hinten gereihte Kandidaten der HDZ den Einzug ins Parlament.

In Kroatien fanden gestern im Grunde genommen zehn Parlamentswahlen statt; das Land ist in zehn Wahlkreise gegliedert, in den jeweils 14 Mandate vergeben werden. In jedem dieser Wahlkreise gilt eine Fünf-Prozent-Sperrklausel, die eine Partei überspringen muss. Diese hohe Schwelle kann zu großen Ungleichgewichten zwischen erhaltenen Stimmen und gewonnen Mandaten führen. Vor neun Monaten erhielt MOST etwa 300.000 Stimmen und gewann 19 Sitze; die „Lebende Mauer“ erreichte 100.000 Stimmen, gewann aber nur ein Mandat, weil sie mehrfach knapp an der Sperrklausel scheiterte. Somit können wenige Stimmen über Mandatsverschiebungen entscheiden. Opfer dieser Tatsache wurden gestern auch die Meinungsforscher, die die Nachwahlbefragungen durchführten; sie kamen auf einen Mandatsgleichstand zwischen Mitte-Links-Block und HDZ von je 57 Sitzen, ohne Berücksichtigung der Auslandskroaten. Prozentuell trafen die Meinungsforscher das Wahlergebnis recht genau, doch die Mandatsverschiebungen führten dann zu dem Unterschied zwischen Nachwahlbefragung und Endergebnis.
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