× Logo Mobil

Kroatien vor der Wahl zwischen Plenkovic und Milanovic

Fernsehen
Europajournal
Berichte Kroatien


In Kroatien finden am Sonntag vorgezogene Parlamentswahlen statt. Grund dafür ist, dass die Koalitionsregierung zwischen der nationalistischen Partei HDZ und der drittstärksten Kraft, der Bürgerbewegung MOST, nach nur neun Monaten an persönlichen Querelen und Skandalen zerbrochen ist. Angesichts dieser politischen Instabilität sagen Meinungsumfragen auch eine relative Mehrheit für das Mitte-Links-Bündnis unter dem früheren sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Zoran Milanovic aus. Doch dessen Siegeschancen werden zunehmend geringer; denn die HDZ hat ihren glück- und farblosen Vorsitzenden Tomislav Karamarko abgewählt und durch den Abgeordneten zum Europaparlament, Andreja Plenkovic ersetzt. Plenkovic ist politisch viel gemäßigter und eloquenter als Karamarko, und daher ein viel unangenehmerer Gegner für Zoran Milanovic, der sich in seinem Wahlkampf auf den Wechsel in der HDZ nicht wirklich hat einstellen können. Umfragen sagen nun jedenfalls ein knappes Rennen zwischen beiden Lagern voraus, wobei die Entscheidung über Sieg oder Niederlage endgültig wohl erst bei den Regierungsverhandlungen fallen wird. Dabei kommt Klein- und Kleinstparteien wieder die Rolle des Königmachers zu. Stimmberechtigt sind in Kroatien 374.000 Wähler und noch knapp 60.000 Auslandskroaten. 177 Listen treten an, doch nur bis zu 15 Parteien haben reale Chancen, auf den Einzug ins Parlament. Aus Kroatien berichtet Christian Wehrschütz



Andrej Plenkovic heißt der neue Faktor im kroatischen Wahlkampf. Vor keinen zwei Monaten zum neuen Vorsitzenden der HDZ gewählt, ist der 46igjährige Jurist, Diplomat und Abgeordnete zum Europäischen Parlament ein ganz anderes intellektuelles und politisches Kaliber als sein Vorgänger Tomislav Karamarko. Großgewachsen und graumeliert, strahlt Plenkovic Selbstbewusstsein und Ruhe aus. Sie verkörpert er auch in seinen Wahlkampfspots, die er selbst spricht und mit den Worten schließt:



„Wissen, Erfahrung und die Energie meiner Arbeit widme ich dem Wohl Kroatiens. Ich bin Andrej Plenkovic und bringe die Glaubwürdigkeit in die kroatische Politik zurück.“



Plenkovic hat es zweifellos geschafft, der durch Karamarko und das klägliche Scheitern der Regierungskoalition geschwächten HDZ neue Zuversicht zu geben. „Glaubwürdig“ lautet Plenkovics Wahlkampfmotto; diesen Begriff erläutert der HDZ-Vorsitzende so:



"Die Hauptbotschaft des Wahlkampfmottos „Glaubwürdigkeit" betrifft auch unsere Kandidaten, die erwiesene Experten und angesehen Politiker ohne irgendwelche Flecken auf ihrer weißen Weste sind. Ich komme aus dem europäischen Parlament, wo mein Motto lautete: "Glaubwürdig für ein europäisches Kroatien". Diesen Zugang, dass auf Worte auch konkrete Taten folgen müssen, will ich auch in diesem Wahlkampf anwenden."



Plenkovic betont immer wieder, dass die HDZ unter ihm eine Partei der rechten Mitte sei und Extremismen oder das Kokettieren mit dem faschistischen Ustascha-Regime aus dem Zweiten Weltkrieg keinen Platz habe. Anlass zur Sorge gab auch international etwa der Kulturminister der HDZ Zlatko Hasanbegovic, der in Kroatien zum Symbol für dieses Kokettieren wurde. Hasanbegovic ist auf der Kandidatenliste der HDZ weiter an prominenter Stelle gereiht. Zweifel am tiefgreifenden Kurswechsel, hat jedenfalls auch Jadranka Kosor. Die ehemalige Ministerpräsidentin und frühere HDZ-Vorsitzende holte Andrej Plenkovic im Jahre 2011 in die Politik. Über ihn und die HDZ sagt Jadranka Kosor:



„Die HDZ ist ein großes Schiff, dessen Kurs ein Mensch allein nicht drastisch ändern kann. Wäre Tomislav Karamarko nicht zurückgetreten, wäre Plenkovic nicht sein Nachfolger, weil er nicht gegen ihn antreten wollte. Plenkovic hat in seinem Team jedenfalls Personen, die starke Stützen von Karamarko waren. Dazu zählt auch der kontroverse Kulturminister Hasanbegovic, den überhaupt erst Karamarko in die Politik gebracht hat. Während Plenkovic die Fähigkeiten von Hasanbegovic rühmt, forderten mehr als 5000 Kulturschaffende dessen Rücktritt. Somit sehe ich bisher keine neue Richtung der HDZ; ob es dazu nach den Wahlen kommt, werden wir sehen.“    



Die HDZ tritt bei diesen Wahlen ohne offizielle Bündnispartner an; dagegen haben die Sozialdemokraten unter Zoran Milanovic eine Koalition mit weiteren drei Kleinparteien gebildet. Milanovic war bis zu den Wahlen vor neun Monaten Ministerpräsident, war nach den Wahlen fast gleich stark wie die HDZ, scheiterte aber an der Regierungsbildung. Milanovic war selbst im kroatischen Außenministerium tätig; Andrej Plenkovic kennt er schon lange; die proklamierte Erneuerung der HDZ kommentierte Zoran Milanovic bei einer Kundgebung in der Hafenstadt Rijeka so:



„Für ein Kroatien, in dem der Antifaschismus keine Floskel, sondern wirklich ein Wert ist, ohne den Rijeka und Istrien nicht Teil Kroatiens wären. Denn dies wurden sie, weil 1945 die kroatischen Partisanen diese Gebiete befreit haben; und das dürfen wir nie vergessen. „Wir sind ein kleines, zähes Volk, erreichten unter fast unmöglichen Bedingungen die Unabhängigkeit und kämpfen jetzt um unseren Platz an der Sonne, für kroatisches Ansehen, kroatischen Stolz und kroatische Rechte und für alles, was die Balkan-Mentalität in uns nicht versteht. Dabei möchte ich jetzt nicht von der HDZ reden, denn ich will niemanden beleidigen, der einst mein Kollege war. Doch sie sind einfach nicht glaubwürdig.“



Alle Kritik und Zweifel ändern nichts daran, dass Zoran Milanovic sein leichter Gegner Tomislav Karamarko abhandengekommen ist, und Andrej Plenkovic eine neue Qualität in den Wahlkampf gebracht hat. Das unterstreicht auch der kroatische Meinungsforscher Srdjan Dumisic:



„Der Wechsel an der Spitze der HDZ hat die ganze Art des Wahlkampfes verändert. Vor neun Monaten gab es scharfe Angriffe und eine völlige Personalisierung auf die beiden Hauptkontrahenten Milanovic und Karamarko. Das war damals eine gute Strategie des Mitte-Linksbündnisses. Jetzt aber hat es Andrej Plenkovic geschafft, jene Politiker in den Hintergrund zu drängen, die Wählern der Mitte suspekt waren. Sein Wahlkampf und die gesamte Kampagne zeigen viel weniger Spannungen als vor neun Monaten. Das ist an sich gut; doch nicht alle anderen Parteien haben sich darauf einstellen können und so kommen aus dem Mitte-Links-Bündnis Aussagen, die diesem Bündnis wohl nicht nützen werden.“



Nach Umfragen liegt das Bündnis unter Milanovic einige Mandate vor der HDZ; ob das auch am Sonntag nach Wahlschluss noch so sein werde, sei aber nun fraglich, betont Srdjan Dumisic:



Inhaltlich boten die Parteien den Kroaten nur wenig konkrete Entscheidungshilfen im Wahlkampf, der vorwiegend von Versprechungen zu wirtschaftlichen und sozialen Themen geprägt war. Dazu sagt der Philosoph Zarko Puhovski:



„Zum ersten Mal hatten wir einen Wahlkampf wie ihn moderne demokratische Staaten führen – mit vielen falschen Versprechungen. Bis jetzt mussten unsere Politiker gar nicht lügen oder versprechen, weil sich der Wahlkampf auf der historischen Ebene Ustascha-Partisanen abspielte. Wichtig war die historische Zuordnung. Jetzt hat man mit Versprechungen begonnen. Die HDZ verspricht 180.000 neue Arbeitsplätze, die Sozialdemokraten konkrete Steuererleichterungen. Somit haben wir wirtschaftliche Themen, die aber zeigen, dass es keine wirklichen Unterschiede zwischen den Parteien gibt.“



Wie all die Wohltaten finanziert werden sollen, sagten die Parteien nicht; zwar weist Kroatien nach sechs tristen Jahren wieder mehr als zwei Prozent Wirtschaftswachstum und zwei sehr gute Tourismussaisonen aufweist, doch für höhere Ausgaben fehlt der Spielraum. In Kroatien gibt es zehn Wahlkreise, in denen jeweils 10 Mandate vergeben werden. Somit finden de facto zehn getrennte Wahlen statt und daher sind bei knappen Rennen Prognosen sehr schwierig. Weitere acht Mandate entfallen auf nationale Minderheiten und drei Sitze wählen die Auslandskroaten. Somit gibt es im Parlament 151 Sitze und 76 braucht eine Koalition für die absolute Mehrheit. Vor neun Monaten war die Bürgerbewegung MOST der Königsmacher, die auf Anhieb 19 Mandate erreichte. Am Sonntag kann MOST mit etwa 12 Sitzen rechnen und wird wohl weiter Zünglein an der Waage sein. Doch auch weitere Kleinparteien dürften stärker werden, weil sich in Kroatien das Zwei-Lager-System ebenfalls auflöst. Die große Frage bleibt, ob und wir rasch eine stabile Regierung gebildet werden kann, denn eine große Koalition hat die HDZ neuerlich ausgeschlossen.



Facebook Facebook