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Mesic und Kucan zum Zerfall von Jugoslawien vor 25 Jahren

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Berichte Kroatien
Vor 25 Jahren, am 25. Juni 1991, vollzog Slowenien auch offiziell seinen Austritt aus Jugoslawien und feierte seine Unabhängigkeit. Einen Tag später begann der sogenannte 10-Tage-Krieg der jugoslawischen Volksarmee, der etwa 80 Tote forderte. Anfang Oktober zog die Volksarmee schließlich aus Slowenien ab. Weit blutiger sollten die weiteren Zerfallskriege in Kroatien und Bosnien und Herzegowina werden, wobei der Zerfall Jugoslawiens im Grunde erst mit dem Kosovo-Krieg der NATO im Jahre 1999 und der Unabhängigkeitserklärung Montenegros vor zehn Jahren endete. Zwei wichtige, heute noch lebende Zeitzeugen der Schlüsselereignisse des Zerfalls sind Milan Kucan und Stipe Mesic. Der 1941 geborene Slowene Milan Kucan ist der Vater der slowenischen Unabhängigkeit; zunächst Vorsitzender der slowenischen Kommunisten wurde Kucan im April 1990 erster freigewählter Präsident Sloweniens, ein Amt, das er nach seiner Wiederwahl bis zum Jahre 2002 ausübte. Der 1934 geborene Kroate Stipe Mesic war 1991 der letzte Vorsitzende des Staatspräsidiums des kommunistischen Jugoslawien. Nach dem Tod des kroatischen Staatsgründers Franjo Tudjman im Dezember 1999 wurde Stipe Mesic zum zweiten Präsidenten des unabhängigen Kroatien gewählt; seine zweite Amtszeit endete im Februar 2010. Mit Milan Kucan und Stipe Mesic hat in Laibach und Zagreb unser Balkan-Korrespondent über die Gründe für den Zerfall des jugoslawischen Vielvölkerstaates gesprochen.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Slowenien und Kroatien

Insert1: Milan Kucan, erster Präsident des unabhängigen Slowenien

Insert2: Stipe Mesic, letzter Vorsitzender des jugoslawischen Staatspräsidiums

Insert3: Milan Kucan, erster Präsident des unabhängigen Slowenien

Insert4: Stipe Mesic, letzter Vorsitzender des jugoslawischen Staatspräsidiums

Insert5: Stipe Mesic, letzter Vorsitzender des jugoslawischen Staatspräsidiums

Gesamtlänge: 4’45

Am 4. Mai 1980 starb der jugoslawische Diktator Josip Broz Tito. Sein Staatsbegräbnis vier Tage später in Belgrad war das bedeutendste Gipfeltreffen der Weltpolitik in diesem Jahr. Denn als Führer der Blockfreien-Bewegung im Kalten Krieg hatte das kommunistische Jugoslawien eine internationale Bedeutung, die es später nie wieder erlangen sollte. Unklar war bereits damals, was Titos Tod für die Zukunft seines Staates bedeuten würde.

„An einen Zerfall dachte ich nicht; aber dass wir Probleme haben würden, dass sahen wir alle. Denn ein Mann war nur schwer zu ersetzen, der so viele Jahre Jugoslawien regiert hatte. Tito war das grundlegende integrative Band zwischen sehr unterschiedlichen Völkern, mit sehr unterschiedlicher Kultur, Tradition und Geschichte.“

Von Titos Tod bis zum Zerfall vergingen noch mehr als zehn Jahre. 1991 war der Kroate Stipe Mesic letzter Vorsitzender des jugoslawischen Staatspräsidiums. Warum gelang es nicht, Jugoslawien neu zu gestalten oder wenigstens einen friedlichen Zerfall herbeizuführen?  

"Es kam zu keiner friedlichen Lösung kam, weil es in Jugoslawien nicht gelang zu einem neuen politischen Vertrag zu kommen. In Jugoslawien gab es drei integrative Faktoren, Tito, die kommunistische Partei und die Armee. Tito war weg, die Partei zerfiel und die Armee suchte einen neuen Geldgeber; der stärkste war Slobodan Milosevic, der in Serbien an die Macht gekommen war. Als ich Vorsitzender des jugoslawischen Staatspräsidiums wurde, schlug ich folgende Beschluss vor: die Teilrepubliken sollten ihre Selbständigkeit erklären und sofort eine Konföderation bilden, die bis zu fünf Jahre dauern sollte. Dann sollten wir weitersehen, aber alle Wege sollten nach Europa führen. Doch Milosevic wollte keinerlei Vereinbarung. Er wollte auf den Ruinen Jugoslawiens ein ethnisch reines Großserbien schaffen, ein Plan, der nur durch Krieg zu erreichen war.“

Am 25. Juni 1991, verkündete Slowenien in Laibach feierlich seine Unabhängigkeit. Dafür hatten im Dezember 1990 fast 90 Prozent der Bürger gestimmt. Bereits am 26. Juni begann dann der Krieg, der in Slowenien aber nur zehn Tage dauerte und nur 80 Tote forderte. War der serbische Autokrat Slobodan Milosevic wirklich der entscheidende Faktor oder gab es mehrere Gründe für den Zerfall des gemeinsamen Staates:

„Es gab mehrere Gründe; einer der wichtigsten war das unterschiedliche Verständnis davon, was Jugoslawien ist. Die Serben verstanden Jugoslawien als Möglichkeit, dass alle Serben in einem Staat leben konnten; das war ihr Hauptinteresse. Die Slowenen und teilweise auch die Kroaten sahen Jugoslawien als Staat, der Sicherheit, Entwicklung und Gleichberechtigung der Völker gewährleistete, die sich freiwillig zusammengeschlossen hatten. Doch es gab große kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede. Nach Titos Tod zeigte sich, die Unfähigkeit, zwei Prinzipien zu achten, die für einen Vielvölkerstaat unerlässlich sind. Das erste ist die nationale Gleichberechtigung; sie scheiterte an serbischen Hegemoniebestrebungen. Zweitens muss der Staat funktionieren können, sonst hat er keinen Sinn.“

Und welche Mitverantwortung tragen USA, EU und die europäischen Staaten, dass es zum jugoslawischen Drama kam?

"Die Welt war zu wenig geschlossen und organisiert, um ausreichend Druck auf Slobodan Milosevic auszuüben, um ihn vom Krieg abzubringen. Denn als die sogenannte Baumstammrevolution in Kroatien begann, als aufständische Serben einen Teil des Territoriums mit Hilfe der jugoslawischen Armee besetzten, war klar, dass Milosevic zum Krieg entschlossen war. Man hätte Milosevic zu einer neuen politischen Vereinbarung zwingen müssen, doch daran war die Welt nicht interessiert."

25 Jahre später ist auch die Vielvölkergemeinschaft EU in der Krise. Welche Perspektive hat sie?

„Europa kann nur vereint zwischen den anderen großen Spielern auf der Weltbühne bestehen. Sollte sich Europa aufspalten, ist es kein Spieler mehr. Europa muss vor allem wegen seiner Wirtschaftskraft vereint bleiben; wenn es sein menschliches Potential gemeinsam nutzt, ist Europa ein großer Spieler. Doch noch wichtiger ist, dass ein vereintes Europa Krieg als politisches Mittel ausschließt."

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